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Auf Deutsch gesagt: Abverkauf beim Ausverkauf

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Ohne Vorsilben geht es nicht. Ohne sie könnten wir uns gar nicht differenziert ausdrücken. Häufig hängt die Bedeutung der Begriffe von den Vorsilben ab, da gibt es vielfältige Kombinationen. Es ist eben ein Unterschied, ob ich einschlafe oder ausschlafe, ob einer herumsteht, aufsteht oder ihm etwas zusteht, ob er liest oder vorliest, ob er zuhört, weghört, etwas überhört, aufhört oder abgehört wird, ob eine Last getragen, das Essen aufgetragen, eine Schuld abgetragen oder eine Ansprache vorgetragen wird.

Vorsilben gehören zum sprachlichen Reichtum. Allerdings kann man die Sprache auch mit sinnlosen Vorsilben bis zur Ungenießbarkeit malträtieren. Manche dienen lediglich der besonderen Betonung einer Aussage, und solche Lautverstärker klingen oft scheußlich. Unsere Politiker zum Beispiel weisen keine Wege zur Lösung von Problemen, sie zeigen auch keine, sie machen keine Vorschläge, sondern sie zeigen das alles auf.

Haushaltspolitiker bekunden ständig, dass sie die Ausgaben und die Schulden absenken wollen. Sie könnten sich bemühen, die Kosten schlicht zu senken. Beim Verb senken spürt man förmlich, wie es tief nach unten geht. Doch dieses Verb scheint zu verblassen, die Vorsilbe muss her. Es wird nur noch abgesenkt und aufgezeigt, übrigens auch angemietet statt gemietet. Ebenso ist weder von wachsenden Einnahmen noch von wachsenden Ausgaben die Rede. Aufwuchs nennt man das im sperrigen Verwaltungs- und Politikerdeutsch. Finanzsenator Ulrich Nußbaum wies auf den „Aufwuchs bei den Transferleistungen“ hin, als er dieser Tage den Senatsentwurf für den Doppelhaushalt 2010/11 der Presse vorstellte.

Neuerungen werden erst einmal auf ihre Funktionstüchtigkeit getestet, oder? Nicht doch, so etwas wird ausgetestet, neuerdings sogar abgetestet. „Das werden wir abtesten müssen“, sagte der Abgeordnete Rainer Ueckert (CDU) vor dem Parlament. Er meinte kontrollieren oder nachprüfen.

Umgangssprachlich ist es Mode, davon zu reden, dass man mal richtig ablachen oder abtanzen will. Na schön, das klingt ganz witzig, nichts gegen betonte Vorsilben, wenn sie sich originell anhören. Doch was bitte ist ein Abverkauf? Nichts als ein neues lächerliches Unwort. Die Grünen warnen vor dem Ausverkauf der landeseigenen Immobilien, der Senat möge nicht zu viel versilbern. „Solange Berlin in öffentlichem Immobilieneigentum geradezu ,geschwommen’ ist, war die Aufteilung in zu haltendes betriebsnotwendiges Vermögen und zum Abverkauf bestimmtes Finanzvermögen noch praktikabel ...“, las ich in dem Antrag. Zu komisch, der Abverkauf. Ach, man kann alles fürchterlich übertreiben.

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