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Manuel Biedermann

© Doris Spiekermann-Klaas

Ahnenforschung: Zurück in der eigenen Geschichte

Das jüdische Unternehmerpaar Berger starb im Konzentrationslager Theresienstadt. Ihr Urenkel verfolgt ihre Spuren, um an sie zu erinnern.

Für seine Frau Flora und sich hatte er das Mausoleum auf dem jüdischen Friedhof Weißensee bauen lassen – einen kleinen, tempelähnlichen Bau, aus dunklem, glatten Stein, der da 1928 entstand. Am Giebel, gestützt von zwei mächtigen Säulen, prangt stolz das Logo der Firma, der Julius Berger Tiefbau AG. Darunter ist der Familienname des jüdischen Unternehmers graviert. Ein Fenster im Dach war aus grünem und blauen Glas gestaltet, sodass farbiges Licht auf die Ruhestätte leuchtete. Beerdigt wurde das Ehepaar dort aber nie. Julius und Flora Berger starben im Konzentrationslager Theresienstadt.

Über die Jahre verfiel die Grabstätte, das bunte Dachfenster ging zu Bruch, wohl durch eine Fliegerbombe, deren Explosionskraft die Scherben in der ganzen Umgebung verstreute. Dann kletterte Efeu die steinernen Wände des Mausoleums hoch, Ranken drangen in die Fugen zwischen den Steinen ein. Doch nun, nach mehr als 60 Jahren, soll das Mausoleum saniert werden. Manuel Biedermann, ein Urenkel des alten Berger hat sich der Sache angenommen. Der 54-jährige Berliner Tischlermeister hat Handwerker gefunden, die rekonstruiert haben, wie der Bau einst aussah. Und er hat das Bauunternehmen Bilfinger Berger dafür gewonnen, die Steinarbeiten zu finanzieren. Das Mannheimer Unternehmen unterstützt das Projekt aus Verbundenheit mit seinen Wurzeln. Bergers alte Tiefbau AG war Mitte der 70er Jahre in Bilfinger Berger aufgegangen. Noch im Spätsommer soll das Mausoleum in alter Pracht wiedererstanden sein.

Lange wusste Manuel Biedermann nichts von seinem prominenten Urgroßvater. In Köpenick wurde er geboren. Als er sieben war, floh die Familie in den Westen. Er wuchs auf in Reinickendorf. 1973, als er gerade 19 war, starb seine Mutter, und er begann, sich für die Geschichte seiner Familie zu interessieren. Von seiner Mutter und den Geschwistern hatte er so gut wie nichts über seinen Urgroßvater Julius Berger erfahren. Erst der Anwalt seiner Mutter gab nach ihrem Tod den entscheidenden Tipp: „Gucken sie mal bei Bilfinger Berger, das ist ihr Urgroßvater.“ Über den Firmenhistoriker erfuhr er schließlich auch von dem Mausoleum in Berlin.

Heute sagt der Urenkel: „Julius Berger ist mir vertrauter geworden.“ Er hat alles über seinen Urgroßvater gesammelt: Urkunden, Zeitungsartikel, Erinnerungen. Wohn- und Arbeitsadressen seines Ahnen zählt er auf, wie Perlen einer Kette: Gipsstraße, Rankestraße, Meinekestraße. „Mir geht es nicht ums Erben, sondern um die Geschichten“, sagt er.

Die Geschichte des „Selfmademan“ Julius Berger begann im westpreußischen Zempelburg. Nach kaufmännischer Ausbildung in Berlin arbeitet er im väterlichen Fuhrbetrieb mit. Erst transportierte er die Ernte der Bauern, dann Baumaterial für den Straßen- und Eisenbahnbau. Schließlich baute er selbst: Schienen durch West- und Ostpreußen, später zum Beispiel das Viadukt Gelterkirchen in der Schweiz oder den Teliu-Tunnel in Rumänien. 1905 hatte er die Julius Berger Tiefbau AG gegründet, die 1910 ihren Sitz nach Berlin verlegte.

70 Jahre war Julius Berger alt, als Hitler an die Macht kam. Die Nazis drängten ihn aus seinem Posten als Vorstandsvorsitzender seiner AG. Den versprochenen Posten als Aufsichtsrat bekam er nicht. Von seinem Lebenswerk blieb ihm eine Pension.

Der Bahnhof Grunewald kommt zwei Mal in der Lebensgeschichte des Julius Berger vor. Kurz nach der Gründung der Berger Tiefbau AG im Jahr 1906 renovierte er diesen Bahnhof. Der internationale Aufstieg und die Blüte des Unternehmens standen damals noch bevor. 1942 wurden Julius Berger und seine Ehefrau Flora von dort nach Osten deportiert.

Weitere Informationen im Internet:

www.berger-reloaded.de

Florian Höhne

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