Berlin: Alle Heiligen vertrieben
Englischsprachige Katholiken sollen auf Gottesdienste in der Militärkirche am Hüttenweg verzichten – und vermuten Willkür des Bistums
Die englischsprachige katholische Kirchengemeinde „All Saints“ (Alle Heiligen) wird keine Gottesdienste mehr in der früheren amerikanischen Militärkirche am Hüttenweg in Dahlem feiern können. Hintergrund ist die Finanzkrise des Erzbistums, das den Mietvertrag mit dem Staat für die Kirche gekündigt hat. Die Betroffenen aber vermuten einen „willkürlichen, autoritären Akt“ der katholischen Kirche.
Künftig sollen die englischsprachigen Katholiken in der Gemeinde St. Bernhard zusammengeführt werden, die einen Kilometer entfernt liegt und in der bereits jetzt über hundert englischsprachige Gläubige Gottesdienste besuchen. Es gehe darum, „einen Integrationskurs zu verwirklichen, deutsche und englischsprachige Katholiken näher zusammenzubringen und sinnvolle pastorale Strukturen zu schaffen“, sagt Hermann FränkertFechter, der zuständige Abteilungsleiter im Erzbistum. Der Pfarrer von St. Bernhard sei ein Deutscher, der gut Englisch spreche. Da sich die rund 120 Gläubigen, die jeden Sonntag zur Messe am Hüttenweg zusammenkommen, mit dieser Entscheidung äußerst schwer getan hätten, sei ihnen ein Aufschub gewährt worden. Dieser laufe aber im Juni unweigerlich aus. Dann wird die Kirche, die sich nach dem Abzug der amerikanischen Streitkräfte im Besitz des Bezirks Zehlendorf befindet, „entwidmet“.
Die Kirche am Hüttenweg steht vor allem für die unvergessene Ära der Alliierten. Seit 1957 ist sie in Betrieb. In den letzten Monaten hat die Gemeinde „All Saints“ es geschafft, mit Unterstützung von Jesuiten-Priestern dort regelmäßig Eucharistiefeiern stattfinden zu lassen. Genau das wird nach der Entwidmung nicht mehr möglich sein. Auch viele Veteranen der US-Army gehen dorthin. Manche erinnern sich gerade jetzt an die Zeiten, als die Gemeinde mit amerikanischen Truppenfahrzeugen Kleidung und Lebensmittel zur katholischen Bischofskirche St. Hedwig im Ostteil der Stadt brachten, über den Checkpoint Charlie. Die Geschichte dieses Ortes ist mit Gefühlen verbunden, die eng mit der Geschichte der Stadt verknüpft sind. Die besondere Tradition, befürchten Gemeindemitglieder, sei Kardinal Sterzinsky wohl gar nicht klar. Zumal der Betrieb der Kirche das Erzbistum nichts kostet. Denn neben der Kirchensteuer bringen die Mitglieder von „All Saints“ seit einiger Zeit auch die Pacht aus eigenen Mitteln auf. „Aber wer garantiert, dass sie das auch in Zukunft tun?“, fragt Bistumssprecher Stefan Förner. Den Fortbestand englischsprachiger Gottesdienste könne nur die rechtlich abgesicherte Zusammenlegung mit St. Bernhard garantieren. Die Kirche wird weiterhin für protestantische und jüdische Zeremonien genutzt werden – was aber den Abschiedsschmerz der Katholiken nicht mindert. bi/clk
-