
© dpa/Peter Steffen
„Als er am Boden lag, küsste ich ihm die Stirn“: Ermordeter Jogger im Berliner Plänterwald war Zufallsopfer
Ein 29-Jähriger wurde im Plänterwald erstochen. Ein 35-Jähriger steht nun vor Gericht. Er gilt als psychisch krank.
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Nach der Arbeit ging der 29-Jährige joggen. Er lief im Plänterwald auf dem Uferweg an der Spree, als Adel J. plötzlich ein Messer zog. Weil er „jemanden umbringen wollte“, gestand der 35-Jährige vor dem Berliner Landgericht. Es hätte wohl jeden treffen können am Abend des 20. November 2023. Der Jogger, ein Grafikdesigner, war ein Zufallsopfer. Die Staatsanwaltschaft strebt nun eine dauerhafte Unterbringung des Angreifers in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
Gegen 21.20 Uhr begegneten sich Finn M. und Adel J. auf dem Uferweg im Bereich Kiehnwerderallee. J. stach unvermittelt zu, immer wieder in Richtung Hals. Sechs tiefergehende Stiche in dem Bereich waren es, stellte später ein Gerichtsmediziner fest. Der 29-jährige M. verblutete am Tatort. Adel J. hinterließ einen Hinweis auf seine Täterschaft – seine Krankenkassenkarte habe er dem Opfer in die Tasche gesteckt, hieß es im Prozess. Und er stellte sich der Polizei.
„Es tut mir sehr leid“, sagte Adel J. am Montag im Prozess wegen Totschlags. „Schlechte Gedanken“ hätten ihn beschäftigt. Auch ein Gefühl der „Besonderheit“. Er sei an jenem Abend zunächst in einem Club gewesen. Er habe „nicht die Anerkennung erlangt, die ich mir gewünscht habe“. Von „Rache“ sprach J. in seinem Geständnis. „Ich nahm mir vor, auf jemanden einzustechen – egal, wer mir über den Weg läuft.“ Allerdings sei er dann „zwiegespalten“ gewesen. „Als der Mann auf dem Boden lag, küsste ich ihn auf die Stirn und sagte, dass es mir leidtut“, so J.
Er führte die Polizisten zu der Leiche
Mit blutverschmierten Händen lief er unmittelbar nach dem Verbrechen zu einer Tankstelle in der Nähe. „Ich sagte, dass ich gerade einen Menschen umgebracht habe“, schilderte Adel J. nun. Er habe auf die Polizei gewartet. Als er zustach, sei es „in dem Gefühl des Rechtsanspruchs geschehen, zu handeln, wie ich gehandelt habe“. Inzwischen bekomme er im Krankenhaus wieder Medikamente. Diese hätten ihm in der Vergangenheit zwar nicht geholfen, aber inzwischen könne er die Tat „kritisch sehen“.
Polizisten, die damals zur Tankstelle gerufen wurden, sagten als Zeugen im Prozess, es sei ihm „wichtig gewesen, dass die Polizei sieht, was er gemacht hat“. J. führte die Beamten auch zur Leiche des 29-Jährigen. Das Messer steckte im Hals des Joggers.
Adel J., der vor Jahren ein Studium abgebrochen haben soll, wurde vorläufig im sogenannten Maßregelvollzug untergebracht. Er habe im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt, so die Staatsanwaltschaft. Bereits seit Jahren leide er an einer paranoiden Schizophrenie, sei mehrmals bedrohlich aufgefallen und habe zuletzt ihm verordnete Medikamente nicht mehr eingenommen, sagten Prozessbeteiligte am Rande der Verhandlung. „Er hätte längst in einer Klinik sein müssen.“ Das sei das besondere Drama in dem Fall. Der Prozess geht am Donnerstag weiter.
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