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Berlin: Altkanzler Gerhard Schröder

„Stört es Sie?“, fragt er mit dem typischen sympathischen Grinsen und zündet sich eine Zigarre an.

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„Stört es Sie?“, fragt er mit dem typischen sympathischen Grinsen und zündet sich eine Zigarre an. Dann haben wir alle Zeit, um über Deutschland nach G. S., die Welt, seine derzeitigen Tätigkeiten und Honorare zu reden. Den Tee bringt Frau Duden, die schon im Kanzleramt Schröders Sekretärin war. Von seinem nüchtern-modern eingerichteten Büro Unter den Linden blickt man auf die bombastische Russische Botschaft gegenüber. Auf dem Tisch: Stapel von Memoiren, die auf Widmungen warten. Etwa 200 000 sind schon verkauft. Ob er bereits Reichtumssteuer zahlen müsse, frage ich. Die verschmitzte Antwort: „Ich arbeite dran.“

Von den langen Lesereisen durch das Land meint der Altkanzler, sie hätten ihn an die letzten Wochen vor dem Wahlkampf erinnert. Überall sei er begeistert aufgenommen worden, keine kritischen Fragen, pure Anerkennung. Mit Blick auf die politische und wirtschaftliche Situation heute sei das eigentlich auch verständlich. Fast alles, was Rot-Grün angefangen habe, sei doch ein Erfolg. Deutschland habe außenpolitisch eine relative Souveränität erkämpft, der Reformstau sei aufgelöst, die Riester-Rente ein Renner und in der Familienpolitik übernehme CDU-Politikerin Ursula von der Leyen SPD-Positionen.

Zur Politik zieht es den 63-Jährigen nicht mehr zurück. Er genießt die Familie, die Kinder, den Hund – heute anders als früher, herrlich „druckfrei“. Aber er kann sich keine Sieben-Tage-Familienrolle vorstellen. Er fühlt sich wohl damit, nicht mehr rund um die Uhr „Mediengegenstand“ zu sein und gesteht, dass er ohne die vielleicht etwas schnell angenommenen, oft kritisierten drei Berater- und Aufsichtsratsmandate und seinen Job als Anwalt in ein Loch gefallen wäre. Die Mandate bei Ringier in Zürich, dem deutsch-russischen Pipeline-Konsortium Nordstream und im European Advisery Board der Rothschild Bank findet er völlig o. k. Er wundert sich über die „dumpfe Kritik“, auch an den Honoraren für seine Auftritte, die man über seine Agentur in den USA buchen kann. Offenbar dürfe man in Deutschland problemlos reich sein, aber nicht reich werden, habe Josef Ackermann ihm gegenüber mal bemerkt. Dem so genannten „Genossen der Bosse“ macht es verständlicherweise Spaß, jetzt mal kräftig mehr als ein Kanzlergehalt zu verdienen. Trotzdem wirkt er nicht, als sei er vom schnöden Mammon verhext. Vielmehr wie ein Mensch, der seine neue Freiheit genießt, Berlin und die Wohnung am Pariser Platz und die hohe Aufmerksamkeit bei Reisen um die Welt.

Heik Afheldt war Herausgeber des Tagesspiegels

Gerhard Schröder (62) war von 1998 bis 2005 deutscher Bundeskanzler. Heute arbeitet er als Anwalt und ist unter anderem Aufsichtsratsvorsitzender des Gas-Konsortiums Nordstream.

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