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Frierende Flüchtlinge warten vor dem Lageso in Moabit.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Flüchtlinge in Berlin: Am Lageso gibt's nun Zelte, aber keine Besserung

Draußen wird es kälter, doch die Menschen kommen jeden Tag wieder zum Lageso, um zu warten. Ein Ende der chaotischen Zustände ist nicht in Sicht. Ein Besuch.

Von Ronja Ringelstein

Es ist kalt und nass. Die Erde ist zu Matsch geworden, die Schuhe der Wartenden sind dreckig und die Menschen frieren. Immer noch kommen täglich hunderte Menschen auf das Gelände des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) in der Turmstraße.

Direkt vor Haus A, in dessen zehntem Stock der Lageso-Präsident Franz Allert sitzt, stehen zwei riesige weiße Zelte, eines für Frauen und eines für Männer. Hier werden teilweise Geldleistungen vergeben, teilweise Termine. Die geflüchteten Menschen, die hier warten, sind schon registriert. Das Zelt für Männer ist rappelvoll.

Einer der Ordner, die vor den Zelten stehen sagt: „Jeden Tag warten die hier, aber das klappt alles nicht“ – was klappt nicht? „Nichts klappt!“ Er schaut frustriert und schüttelt den Kopf, mehr will er nicht sagen.

Auch am Eingang von Haus A stehen Mitarbeiter der umstrittenen Sicherheitsfirma Spysec. Um sie herum viele Menschen, die in das Haus hinein wollen, andere strömen heraus. In Haus A riecht es schlecht, der Boden ist dreckig. Ein Gewusel herrscht an dem Empfangsschalter, wo Menschen mit Zetteln wedeln.

In dem Gang zu dem großen Warteraum liegt ein Mann in einer roten Jacke auf dem Boden und schläft, neben ihm sitzen etliche. Sie passen nicht mehr in den überfüllten Warteraum mit der blinkenden Tafel, die sie gebannt anstarren: Hier werden die Terminnummern angezeigt. Auch Mitarbeiter des Lageso laufen an den Sitzenden vorbei, doch sagen wollen sie nichts. Nur Kopfschütteln und wedelnde Handbewegungen, wenn man sagt, dass man Journalistin ist.

Eine Hochschwangere wartet auf dem Boden in Haus A

In dem Gang vor dem Warteraum sitzt auch die schwangere Zeinab. „In drei Tagen kommt mein Baby", sagt sie in gutem Englisch und strahlt. Sie sieht glücklich aus. Um nicht auf dem dreckigen Boden sitzen zu müssen, hat sie sich ihre Jacke untergelegt. Sie ist privat bei einer Familie in Bernau untergekommen, mit ihrem Mann, deshalb sei sie gut dran.

Sie ist zum Lageso gekommen, um ihre monatliche Zahlung abzuholen, 88 Euro seien das, sagt sie. Zwölf Tage stand sie für ihre Registrierung draußen im Regen. Das sei sehr schwierig gewesen. Jetzt darf sie im Haus warten. Ob sie aber heute noch aufgerufen wird, weiß sie nicht. „Vielleicht auch erst nächste Woche, aber das Baby wird kommen, wann es will“, sagt Zeinab lächelnd.

Etwa die Hälfte der Helfer sind selbst Flüchtlinge

Später will Zeinab noch zu der Sachausgabe des Vereins Moabit hilft, Haus D. Dort möchte sie sich Shampoo holen und Hygieneartikel für das Baby. Inzwischen sind fast die Hälfte der freiwilligen Helfer beim Verein Moabit hilft selbst Geflüchtete. "Sie wollen mit anpacken und helfen", sagt Michael Ruscheinsky vom Verein. Vor allem junge Männer seien sehr tatkräftig.

Die Lage hat sich nicht gebessert beim Landesamt für Gesundheit und Soziales an der Turmstraße.
Die Lage hat sich nicht gebessert beim Landesamt für Gesundheit und Soziales an der Turmstraße.

© Ronja Ringelstein

Menschen stehen auf dem Gelände des Lageso an der Turmstraße in Moabit vor Haus D für warme Kleidung, Spielsachen, Hygieneartikel an.
Menschen stehen auf dem Gelände des Lageso an der Turmstraße in Moabit vor Haus D für warme Kleidung, Spielsachen, Hygieneartikel an.

© Ronja Ringelstein

"Aber insgesamt werden es leider immer weniger Helfende und weniger Spenden", erzählt er. Er könne verstehen, dass einige Helfer eine Auszeit brauchen, denn es sei ein täglich aufreibender Kampf. "Man kommt mit Elan zur Arbeit, aber jeden Tag gibt es Rückschläge." Ihn stört vor allem die mangelhafte Kommunikation mit den Wartenden durch das Lageso. Einen Mann nennt er als Beispiel, der nach seiner Vorregistrierung zum Warten in eine Unterkunft geschickt wurde. Nach drei Wochen hatte der Mann immer noch nichts von der Behörde gehört. "So geht man doch nicht mit Menschen um", findet Ruscheinsky.

Dass sich etwas an der Situation gebessert habe, seit es die Zweigstelle des Lageso an der Bundesallee gibt, kann er nicht bestätigen: "Es hat sich nichts verbessert." Es würden zwar weniger Menschen draußen zu sehen sein, aber das läge an den fünf riesigen Zelten, in denen sie nun warten, über das gesamte Gelände verteilt. Wie viele jeden Tag kämen? Unmöglich zu schätzen, aber allein zum Haus D kommen jeden Tag bis zu 500 Menschen, die nach warmer Kleidung fragen, erzählt Riyad, ein Helfer.

Auch vor der Zweigstelle Bundesallee warten die Menschen

Auch an der Zweigstelle in der Bundesallee will heute niemand mit der Presse sprechen, man schickt den Security-Mann mit der Botschaft heraus, dass alle Anfragen bei der Turmstraße beantwortet würden. Ob heute schon ein Bus mit Flüchtlingen angekommen ist? "Ich sage gar nichts", sagt der Mann.

Auch vor der Bundesallee wartet eine im Vergleich zur Turmstraße kleine Menschenmenge. Ein Mann fragt, ob er zur Toilette im Gebäudeinneren gehen darf. "Tut mir leid, nur Frauen. Geh' doch zur Tankstelle nebenan", bekommt er als Antwort. Etwas betreten stellt er sich zurück in die Warteschlange.

Am Montag hatten mehr als 40 Berliner Anwälte gegen Sozialsenator Mario Czaja und Lageso-Chef Franz Allert Strafanzeige wegen Körperverletzung und Nötigung im Amt erstattet. Sie wollen die Verantwortlichen für chaotischen Zustände und undurchschaubaren Strukturen am Lageso zur Verantwortung ziehen. Franz Allert hingegen räumte in einem Interview mit dem RBB ein, dass es "vielfach noch an Strukturen mangele", doch den Vorwurf eines "kompletten Chaos" wies er von sich. Michael Ruscheinsky von Moabit hilft will Allert da nicht ganz folgen. "Man muss nur einmal hierher kommen und sich ein Bild machen", sagt er. "Man braucht keine fünf Minuten, um zu sehen, was hier wirklich passiert."

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