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© Kitty Kleist-Heinrich

Diskriminierung: Ausländischer Name - keine Wohnung

Vermieter bevorzugen Deutsche. Diese Erfahrung machte eine Soziologin, die ein Namens-Experiment wagte. Sie bewarb sich hundertfach mit identischen Lebensläufen, aber unterschiedlichen Namen.

Migranten werden auf dem Berliner Wohnungsmarkt Deutschen gegenüber benachteiligt. Diese Erfahrung machte Emsal Kilic, Berliner Soziologin mit türkischen Wurzeln. Im Rahmen einer Diplomarbeit hatte sie Hunderte von Mails an Vermieter aus Neukölln und Wilmersdorf geschickt. Die gleichlautenden Schreiben hatte sie zur Hälfte mit einem deutschen Namen unterzeichnet, zur anderen Hälfte mit einem türkisch klingenden Namen. In Wilmersdorf erhielt die Migrantin nicht eine Zusage, die „deutsche Vergleichsperson“ dagegen sechs. In Neukölln erhielt die Migrantin 11 Zusagen, die Deutsche zwei Zusagen mehr.

Der Soziologe Hartmann Häußermann, der die Arbeit begleitete, sagt: „Das belegt, dass auch für aufstiegsorientierte Migranten bestimmte Stadtteile Sperrgebiet sind.“ Die Landesstelle für Gleichbehandlung bestätigte, dass „die Auslese auf dem Wohnungsmarkt oft auf Grundlage des Namens erfolgt“, so die Leiterin Eren Ünsal. Die Ausgrenzung erfolge auch auf Grundlage des sozialen Status oder der ethnischen Herkunft. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen bestreitet dies: „Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schließt Bevorzugungen oder Benachteiligungen aus“, sagt Sprecher David Eberhart.

Doch von diesen Ansprüchen ist die Realität am Wohnungsmarkt den Forschungsergebnissen nach zu urteilen weit entfernt. Der Soziologe Häußermann sagt, dafür hätten die Wohnungsunternehmen selbst gesorgt: „Die dürfen diskriminieren, weil sie sich in dem Gleichbehandlungsgesetz das Recht einräumen ließen, für eine ausgewogene soziale Mischung zu sorgen“, sagt er. Einfach ausgedrückt: Die Bevorzugung deutscher Bewerber kann jederzeit mit dem Hinweis auf die Erhaltung der sozialen Stabilität in einem Quartier begründet werden.

Um die diskriminierende Mieterauswahl zu entlarven, wählte die Sozialwissenschaftlerin Emsal Kilic nur Vermieter mit mehr als 50 Wohnungen aus, für die das Gleichbehandlungsgesetz gilt. Die Hälfte waren landeseigene Wohnungsgesellschaften, die andere Hälfte private, beide bevorzugten die vermeintlich deutsche Bewerberin. Die Namen der Firmen wollen die Wissenschaftler nicht nennen. „Es geht nicht darum, Politik zu machen, sondern um den Nachweis der Ursachen der zunehmenden Segregation in der Stadt“, sagt Häußermann. Dieser Begriff beschreibt die Verdrängung von Berlinern mit geringeren Einkommen, schlechterer Bildung oder ausländischer Herkunft aus Citylagen und deren Konzentration in Quartieren wie Neukölln oder Wedding.

Der Feldversuch von Kilic scheint dies zu belegen: „In Neukölln hätte die Migrantin eine sanierungsbedürftige Wohnung im Erdgeschoss sofort mieten können“, sagt sie. Bei zehn anderen Wohnungen erhielt sie nach der Besichtigung eine Einladung des Vermieters zu Vertragsverhandlungen. In Neukölln behandelten die Vermieter die Migrantin fast so gut wie die deutsche Bewerberin: Diese hätte ebenfalls sofort in das abgewohnte Erdgeschoss einziehen können und hatte 12 statt 10 weitere Angebote zur Unterzeichnung eines Mietvertrags erhalten.

Dagegen ist ein mutmaßlicher Migrationshintergrund für Vermieter in Wilmersdorf offenbar ein K.-o.-Kriterium: Nicht einen Besichtigungstermin wurde der Frau mit türkischem Namen angeboten. Obwohl sie 100 Briefe verschickt hatte, bekam sie nur in sechs Fällen eine Antwort – alles Absagen. Dagegen erhielt die „deutsche Bewerberin“ sechs Angebote, Wohnungen zu besichtigen.

Die Wissenschaftlerin sagt, sie habe sorgfältig darauf geachtet, dass beide „Bewerberinnen“ identische Voraussetzungen mitbrachten: Beide schrieben und sprachen fehlerfrei Deutsch, gaben vor, mit einem berufstätigen Mann verheiratet zu sein und ein Kind zu haben. Zu persönlichen Gesprächen schickte Kilic Testpersonen. Die „Migrantin“ trat modisch gekleidet, ohne Kopftuch oder anderen Merkmalen auf, die sie als Fremde ausgewiesen hätten. „Die Diskriminierung erfolgte ausschließlich aufgrund des Namens, der einen Migrationshintergrund vermuten ließ“, so Häußermann.

„Die Menschen besetzen mit ausländischen Namen offenbar negative Eigenschaften“, sagt Eren Ünsal, Leiterin der Landesstelle für Gleichbehandlung gegen Diskriminierung. Bisher gebe es aber wenig Beschwerden. Auch beim Berliner Mieterverein ging seit Einführung des Gesetzes nur ein Fall mutmaßlicher Diskriminierung ein. „Kein Wunder“, sagt Geschäftsführer Reiner Wild, „diese Diskriminierung ist schwer zu beweisen.“

Ünsal zufolge liegt das auch daran, dass die „Auslese“ häufig im Verborgenen erfolge: Wohnungen sind plötzlich schon vergeben, wenn jemand sich bewerben will, aber nicht akzentfrei Deutsch spricht oder einen nichtdeutschen Namen nennt. So kam Forscherin Emsal Kilic übrigens auch zu ihrem Thema: Ihr Bruder hatte sich auf eine Wohnung beworben, prompt eine Absage erhalten, obwohl die Besichtigungstermine erst Wochen später anberaumt wurden. Am Ende unterzeichnete ein Deutscher den Mietvertrag.

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