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Straße frei! Wenn es nach den Grünen ginge, sollte es autofreie Tage auf dem Ku'damm und der Tauentzienstraße geben.

© Doris Spiekermann-Klaas

Pro und Contra: Autofreie Zone am Ku`damm

Die Grünen wollen den Kurfürstendamm tageweise von Autos befreien, Piraten und CDU unterstützen das. Wäre das eine Attraktion für die Innenstadt? Oder nur unsinnige Symbolik? Ein Meinungsstreit.

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Politik lebt ja, trotz entgegenstehender Einlassungen von Menschen in höchsten Regierungsämtern, von Visionen. Von der Idee, dass alles auch ganz anders sein könnte. Warum nicht so eine Idee ab und zu einfach mal in die Tat umsetzen und abwarten, was passiert? Denn gäbe es heute die Chance, das Verkehrssystem für eine Metropole wie Berlin neu zu entwerfen, würden Autos wohl eine deutlich geringere Rolle spielen – insbesondere jene Wagen, die im Besitz von nur einem Haushalt sind und daher nicht nur die Straßen verstopfen, sondern auch noch am größten Teil des Tages den Parkraum drumherum. Der durchschnittliche Großstadtbewohner hat sich zwar dran gewöhnt, als Autofahrer im Stau zu stehen, sich als Radfahrer ständiger Gefahr für Leib und Leben auszusetzen und als Fußgänger Lärm und Gestank auszuhalten – aber eigentlich ginge das auch anders. Eigentlich.

Ein autofreier Tag mitten in der City West würde diesen Gedanken konkret werden lassen. Autofreie Räume zurückzuerobern, das klingt ein bisschen nach grüner Spinnerei. Dabei könnte diese Tage bestimmt auch genießen, wer nicht ökologisch und stadtplanerisch grundsätzlich ans Thema herangeht. Es wäre Platz für eine Partie Boule unter den Kudamm-Platanen oder für „Himmel und Hölle“. Kinder könnten über das mit Kreide aufgemalte Spielfeld hüpfen, wo sonst Busse um die Kurve biegen. Autofrei, das würde heißen: viel, viel Platz zum Flanieren, unter den Sonnenschirmen der Straßencafés, für Gespräche und Straßenmusik ohne Motorenlärm ein paar Meter weiter. So mancher Straßenmusiker ist ein Argument für Autos, zugegeben. Trotzdem könnten sich diese Tage zur echten Attraktion entwickeln.

Davon würden übrigens auch die Geschäftstreibenden profitieren. Denn wenn die nächste Fußgängerampel ein Stück entfernt und auf der breiten Straße zwischen den vielen Autos kein sicheres Durchkommen ist, ist der Weg vom einem zum anderen Bürgersteig ziemlich weit. So mancher Kaufwillige verzichtet da vielleicht auf den Blick in das interessante Schaufenster auf der Straßenseite gegenüber. Entspannt – und damit umsatzstark – wäre dagegen womöglich der Einkaufsbummel an autofreien Tagen. Die Idee der Grünen ist trotzdem abzulehnen. Zwei autofreie Tage pro Jahr sind nämlich noch zu wenig. Einmal pro Monat: Das wäre ein guter Anfang.

Das Pro verfasste Karin Christmann.

Lesen Sie auf der nächsten Seite das Contra zum Thema.

Gerade für Autokorsos ist der Ku`Damm beliebt, nun wünschen sich die Grünen hier einen autofreien Tag.
Gerade für Autokorsos ist der Ku`Damm beliebt, nun wünschen sich die Grünen hier einen autofreien Tag.

© imago

Vor 30 Jahren bescheinigte die Berliner SPD der Alternativen Liste (AL) einen „Verlust an Realitätssinn“. Damals wollte die grüne Vorgängerpartei die „autofreie Stadt“ einführen. Gehalten hat sich das Projekt natürlich nicht. Jetzt will sich die Partei mit „autofreien Tagen“ im Westteil der Stadt versuchen. Am besten an einem Samstag und einem Sonntag. Sie tut so, als gäbe es ein Problem, das es de facto aber gar nicht gibt. Am Sonntag fahren ohnehin weniger Autos als an Werktagen. Das eigentliche Problem sind die Fahrzeuge, die werktags unterwegs sind. Also bleibt als Argument für die Auto-Verbannung mal wieder der Symbolcharakter. Glaubt aber tatsächlich jemand, dass sich dadurch die Grundeinstellung der Autofahrer ändert? Wer ihnen das Umsteigen auf den Nahverkehr schmackhaft machen will, muss das Angebot billiger und besser machen.

Vier Mal hatte Hamburg zwischen 2008 und 2010 den autofreien Sonntag organisiert. Beim ersten Mal fiel der Sonntag ins Wasser: Es regnete, die Leute blieben zu Hause. Und die, die draußen waren, stiegen nicht wie erwartet auf Bus und Bahn um. Jeder konnte kostenlos das Angebot des Hamburger Verkehrsverbundes, flächenmäßig einer der größten in Deutschland, nutzen. Im Schnitt fuhren 70 000 Besucher mit den Bussen und Bahnen des HVV. Der Hamburger Senat musste dagegen 375 000 Euro an Ausgleichszahlungen und für Streckensperrungen zahlen. Und die Polizei registrierte an allen vier Sonntagen nur „etwas weniger“ Autos als an Werktagen. Auch die Einsparung der CO2-Emission war nicht messbar. Der Aufwand für die autofreien Tage sei wesentlich höher als der Nutzen gewesen, hört man heute aus der Hansestadt. Und so verabschiedete man sich kühlen Hauptes von diesem Projekt.

Mit einem „autofreien Sonntag“ wird man keinen Bürger zum Nachdenken bringen und keinen innerstädtischen Raum für Fußgänger „rückgewinnen“, wie die Grünen meinen. Warum machen sich Politiker nicht lieber mehr Gedanken darüber, wie mit veränderten Klimabedingungen umgegangen werden müsste? Stichwort Vorbildfunktion: Umstellung ihres Fuhrparks auf Hybridautos, Modernisierung von Polizeiautos, Bussen, Konzepte für Car-Sharing-Modelle in der Stadt? Wo bleibt in Berlin ein Klimaschutzgesetz mit Zielmarken und mehr staatliche beziehungsweise steuerliche Förderung für die energetische Gebäudesanierung?

Ein Contra von Sabine Beikler

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