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Innenansicht: Die Staatsoper unter den Linden.

© imago/Christian Mang

Berlin-Mitte: Schluck! Ein Erlebnisbericht aus der Staatsoper Unter den Linden

Parken, essen, sitzen: Einfach so klappt nichts. Der Erlebnisbericht eines mühseligen und kostspieligen Abends in der Staatsoper Berlin.

Von Susanne Leimstoll

Was tun, wenn Besuch aus den alten Bundesländern naht und Kulturprogramm in Berlin genießen möchte? Staatsoper Unter den Linden! Bin seit jenem, um ein paar Jährchen verlängerten Umbau für 440 Millionen Euro nicht mehr da gewesen. Restkarten für die vorletzte Vorstellung einer englischen Barockoper gab es noch.

Große Freude, leicht getrübt nur durch die hohe Preiskategorie: drei Tickets zu insgesamt 272 Euro. Wenn man weiß, dass die öffentliche Subventionierung pro verkaufter Karte bei etwa 280 Euro liegt, will man nicht meckern – weil es ja ein Abend voller Genuss wird.

Es wurde einer mit Verdruss. Nicht der Aufführung wegen, die hatte Gute-Laune-Potenzial. Aber das Begleitprogramm rechtfertigt einen Verriss.

ERSTER AKT: ZWISCHENWELT

Parken in der Tiefgarage Bebelplatz. Ab 18 Uhr gilt dort ein „Theatertarif“, maximal sechs Euro. Super Service. Die Besucher wissen das, man ist rechtzeitig da, lässt die Begleitpersonen schon mal ins Opernhaus, wartet, wie andere, in der Schlange vor der Einfahrt.

Radio an: 18 Uhr, die Nachrichten. Zur Sicherheit drei Minuten zögern, dann reinfahren und Parkticket ziehen. Beim Aussteigen ein Blick auf die Karte, da steht: 17.59 Uhr.

ZWEITER AKT: SCHÄNKE

Bestellen eines Tisches für die „Gastronomie im Opernhaus“ geht ganz einfach über die Website – behauptet die Website. Also Reservierung über den Link schon Tage vor dem Ereignis. Die versprochene Bestätigung bleibt aus – auch zwei Tage vor der Aufführung. Also telefonieren.

Die Nummer des Caterers ist erst dauerbesetzt, danach kommt bei vier Versuchen die Ansage, diese Nummer sei „nicht bekannt“. Nachfrage beim Besucherservice der Staatsoper: Bestätigt, sagt die Leiterin, werde die Tischreservierung immer erst kurz vorher. Aber wegen der Telefonnummer werde sie gleich mal nachfragen und uns den Tisch sichern. Auch am Tag des Opernbesuchs: keine Bestätigung.

Im „Apollosaal“ gibt's – Überraschung – nur Stehtische, in der „Konditorei“, dem Bistro der Staatsoper, checkt die Mitarbeiterin am Tresen die Liste („Sie haben nicht reserviert!“), weist aber freundlicherweise einen noch freien Tisch zu. Die Rechnung für fünf kleine Getränke, drei noch kleinere Vorspeisensalate im Glas und drei klitzekleine belegte Brioches: 75 Euro. Schluck! Egal jetzt, da fallen sieben Euro fürs Programmheftchen nicht mehr ins Gewicht.

DRITTER AKT: HIMMEL / HÖLLE

Erster Rang: Man bestaunt die für viel Geld angehobene Decke, genießt die verbesserte Akustik – weiß aber leider nach ein paar Minuten nicht mehr, wohin mit seinen Beinen. Das aufgemöbelte Antikgestühl lässt nicht einmal Platz, um die Schuhspitzen unter den Sitz vor einem zu schieben. Also dauerhaft angewinkelt sitzen. Nach rechts ausschwenken ist nur möglich, wenn der Nachbar mitmacht. Die Choreografie klappt nicht reibungslos.

Ab da gilt die Aufmerksamkeit nicht mehr dem Bühnengesang, sondern dem Beinschmerz. Auch bei den Premiumplätzen ist Leiden im Preis inbegriffen. Wer Glück hat und nach der Pause drei Reihen weiter hinten auf einen (preiswerteren) Außenplatz wechseln will, muss schnell sein.

Andere haben während der Vorstellung im Halbdunkel ebenfalls die schmerzlindernde Alternative ausgemacht. Wer Erster ist, sagt geheuchelt großzügig, bitte, nehmen Sie doch meinen Platz dort drei Reihen weiter vorne, erhält aber, wie geschehen, zur Antwort: „Danke, ich sitze in diesem Haus ja gern ganz außen.“

Am Ende tosender Applaus für Dirigent, Orchester und Darsteller – sehr zu Recht. Das Berliner Publikum gewährt Standing Ovations. Ein schöner Brauch, vor allem, weil alle endlich die Beine durchstrecken können.

VIERTER AKT: ORKUS

In der Tiefgarage haben sich bereits sehr, sehr lange Schlangen am Parkscheinautomaten gebildet. Es gibt am Zugang zur Oper nur einen einzigen, dort kann man mit Karte bezahlen. Nach zehn Minuten ruft ein Mitarbeiter der Oper: „Da vorne, am anderen Eingang, gibt es noch mehr Automaten für Barzahler!“

Die Hälfte der Anstehenden rennt nach gegenüber, dort stehen schon genauso viele an. Früher gab es hier drei Automaten, jetzt ist es nur noch einer. Es dauert … und dauert … Die Leute beginnen zu schimpfen, muss das denn sein, hier nach der Oper im Mief anzustehen? Eine Besucherin hat frohe Kunde: „Oben gibt es auch noch einen Automaten!“ Nach ein paar Minuten ist sie zurück. „Da ist die Schlange noch länger.“

FÜNFTER AKT: KATHARSIS

Man ahnt, was kommt, steckt das Ticket mit der bei der Einfahrt falsch gedruckten Zeit in den Automaten. Der bietet keinen Theatertarif, klar, gilt ja erst ab 18 Uhr, und die Uhren von Q-Park gehen eben anders.

Das Display fordert: 10 Euro. Staatsoper, das nächste Mal? Leger kleiden, vorher woanders abendessen, mit dem Fahrrad hin und zurück, Platz ganz außen im Parkett. Danke für die Läuterung, Berlin!

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