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Ein Auszubildender an einer Werkzeugmaschine.

© Imago/Rupert Oberhäuser

Berlins Ausbildungsmarkt in der Schieflage: Der Markt allein regelt es nicht – der Staat muss sich aktiv einmischen

Berlins neue Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe spricht sich für eine Ausbildungsplatzumlage aus. Damit würden Unternehmen einen starken Anreiz erhalten, Ausbildungsplätze anzubieten.

Wenn ich mit jungen Menschen in Berlin über ihre berufliche Zukunft spreche, höre ich immer wieder: Wir finden keinen Ausbildungsplatz. Endlose Bewerbungsversuche und unzureichende Auswahlmöglichkeiten – trotz Fachkräftemangels hapert es an vielen Stellen auf dem Ausbildungsmarkt. Das ist frustrierend. Offensichtlich gibt es eine Schieflage.

Ich mache das an drei Punkten fest. Erstens: Das Angebot an Ausbildungsplätzen bleibt deutlich hinter der Nachfrage zurück. 2022 kamen zum Beispiel auf 100 Jugendliche, die einen Ausbildungsplatz suchten, gerade einmal 87 Ausbildungsstellen. Zweitens: Ein großer Teil der Jugendlichen findet trotz vermerktem Interesse keinen Ausbildungsplatz.

Berlin liegt, was den Anteil derjenigen angeht, die zwar Interesse an einer Ausbildung haben, aber keinen Vertrag unterschreiben, deutlich hinter dem Bundestrend. Drittens: In Berlin bilden gerade einmal elf Prozent aller Betriebe aus. Das ist viel zu wenig. Bundesweit sind es immerhin gut 19 Prozent. Insgesamt kann uns diese Situation in Berlin nicht zufriedenstellen.

Gleichzeitig wird von allen Seiten vor einem Fachkräftemangel gewarnt. Wer aber fehlende Fachkräfte beklagt, muss auch etwas dagegen unternehmen. Das ist in erster Linie die Aufgabe der Unternehmen. Wenn allerdings das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage nicht ausreicht, stellt sich die Frage, ob sich der Staat aus der Entwicklung heraushalten darf. Ich bin überzeugt, dass er das nicht darf. Im Gegenteil: Der Staat muss sich aktiv einmischen, wenn der Markt es nicht allein regelt.

Hier kommt nun ein Instrument ins Spiel, über das seit fast 50 Jahren diskutiert wird. Damals gab es am (west-)deutschen Ausbildungsmarkt eine vergleichbare Situation wie in Berlin: Das Angebot an Ausbildungsplätzen reichte nicht aus, um die Nachfrage der jungen Menschen nach einer Berufsausbildung zu befriedigen.

Als Lösung schlug die sozialliberale Koalition 1976 die Ausbildungsplatzumlage vor. Die Idee dahinter war und ist, dass Unternehmen einen festgelegten Beitrag in einen gemeinsamen Fonds einzahlen, aus dem ausbildende Betriebe dann ihre Ausbildungskosten erstattet bekommen.

Durch diesen finanziellen Anreiz soll die Ausbildungsbereitschaft gerade von kleinen Unternehmen gesteigert und das Ausbildungsplatzangebot damit insgesamt erhöht werden. Die Bauwirtschaft geht hier seit Jahrzehnten mit positivem Beispiel voran. Auch das Land Bremen hat kürzlich einen ganz ähnlichen Ausbildungsunterstützungsfonds eingeführt.

1502 Plätze unbesetzt

Kritiker einer solchen Umlage zweifeln, ob die Schieflage damit wirklich geradegerückt würde. Das eigentliche Problem seien nicht zu wenig Ausbildungsplätze, sondern zu wenig geeignete Bewerber:innen. Das wäre der eigentliche Grund für unbesetzte Ausbildungsplätze. Eine Umlage würde dies nicht beheben.

Durch die Umlage würden alle Unternehmen einen starken Anreiz erhalten, Ausbildungsplätze anzubieten. Die Erweiterung des Angebots erhöht wiederum die Chancen für junge Menschen, wirklichen einen geeigneten Ausbildungsplatz zu finden. 

Cansel Kiziltepe (SPD), Arbeitssenatorin

Richtig ist, dass zum 30. September 2022 in Berlin noch 1502 Ausbildungsplätze unbesetzt waren. Gleichzeitig gab es jedoch 3135 sogenannte „unversorgte Bewerber:innen“, also an einer Ausbildung interessierte Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Ich will gar nicht bestreiten, dass es Probleme gibt, Berufswünsche junger Menschen und das Angebot an Ausbildungsplätzen miteinander in Einklang zu bringen.

Doch ich bin überzeugt, dass eine Ausbildungsplatzumlage helfen kann, dieses Problem zu lösen. Durch die Umlage würden alle Unternehmen einen starken Anreiz erhalten, Ausbildungsplätze anzubieten. Die Erweiterung des Angebots erhöht wiederum die Chancen für junge Menschen, wirklichen einen geeigneten Ausbildungsplatz zu finden.

Die Ausbildungsplatzumlage findet sich auch in unserem neuen Koalitionsvertrag wieder und sie steht im engen Zusammenhang mit einem weiteren Vorhaben: dem Bündnis für Ausbildung. Das soll im Sommer 2023 starten, so der Plan. Im Bündnis für Ausbildung werden wir beraten, wie das Land Berlin für ausbildungssuchende Jugendliche ein nachhaltiges Angebot an Ausbildungsplätzen schaffen kann. Dafür sollen bis zum 30. April 2025 mindestens 2000 zusätzliche betriebliche Ausbildungsstellen geschaffen werden.

Gelingt dies nicht, greift die Ausbildungsplatzumlage. Entscheidend ist für uns dabei die Zahl der wirklich unterschriebenen Ausbildungsverträge und nicht, ob es einfach mehr Stellen auf den Ausbildungsplatzbörsen gab. Wir wollen Lösungen, die auch in der beruflichen Realität ankommen.

Wir fangen bei der Ausbildungsplatzumlage nicht bei null an. Unter meiner Amtsvorgängerin Katja Kipping wurde hier einiges angestoßen, das Vorhaben hat bereits wichtige Hürden genommen. Diesen Prozess greifen wir jetzt auf, sodass wir schon diesen Herbst einen konkreten Gesetzesentwurf vorlegen.

Die Fachkräftesicherung muss in den kommenden Jahren in Berlin oberste Priorität haben. Mein Ziel ist es, den Berliner Ausbildungsmarkt so schnell wie möglich aus seiner Schieflage zu holen. In unserer Stadt soll jeder Mensch, der eine Ausbildung machen will, auch die Möglichkeit dazu haben.

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