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Berlin: Besetzung der irakischen Botschaft: Gibt es doch Hintermänner?

Angeblich Festnahme in Hamburg / Rätsel um Telefonate der Geiselnehmer

Von Sandra Dassler

Die fünf Männer, die am Dienstag die irakische Botschaft in Berlin besetzten, schweigen weiter zu den Motiven ihrer Tat. Die Ermittlungen durch die Justizbehörden laufen derweil auf Hochtouren. So wurde das Asylbewerberheim im brandenburgischen Spremberg, wo die Tatverdächtigen lebten, durchsucht. Nach Tagesspiegel-Informationen führt eine Spur nach Hamburg, wo ein Mann im Zusammenhang mit der Botschaftsbesetzung in Berlin festgenommen worden sein soll.

Das Personal und die Bewohner des Asylbewerberheims im brandenburgischen Spremberg sind schockiert: Bei den Besetzern der irakischen Botschaft in Berlin handelt es sich um fünf junge Männer, mit denen sie in den vergangenen Monaten unter einem Dach lebten. „Die mutmaßlichen Geiselnehmer galten als unauffällig und freundlich“, sagt eine Sprecherin des Landratsamts: „Einer von ihnen ist schon seit dem vergangenen Jahr hier, die vier anderen kamen im Mai – alle ohne Familienangehörige.“

Die Motive der Botschaftsbesetzer sind weiterhin unklar. Die Männer bezeichneten sich selbst als „Demokratische Irakische Opposition Deutschlands“ – eine Organisation, von der bislang weder Geheimdienste noch andere oppositionelle irakische Gruppen etwas gehört haben. Peter Heine, Professor für Islamwissenschaften an der Humboldt-Universität meint: „Die irakischen Oppositionellen sind äußerst zurückhaltend. Ich hatte im ersten Moment auch vermutet, dass es sich um eine neue Gruppe handelt, die sich im Vorfeld eines möglichen Angriffs auf den Irak in der Öffentlichkeit profilieren will – aber warum schweigen die Männer dann?“

Möglicherweise handelten die Besetzer nicht allein. Wie der Tagesspiegel erfuhr, hatten Beamte des Berliner Landeskriminalamtes nach dem Überfall auf die irakische Botschaft das Asylbewerberheim in Spremberg durchsucht. Dabei fiel ihnen ein Handy auf, das auf einen Iraker aus Hamburg zugelassen war, der in den vergangenen Wochen oft bei den Geiselnehmern in Spremberg gesehen wurde. Diese sollen während der Besetzung der Botschaft ständig Telefonate mit Unbekannten geführt und zu den Geiseln gesagt haben: „Wir handeln auf Befehl.“ Die Berliner Justizbehörden wollten gestern keine weiteren Auskünfte zu den Ermittlungen geben und weder dementieren noch bestätigen, dass der betreffende Mann aus Hamburg nach intensiver Fahndung inzwischen festgenommen wurde.

Nach Informationen des Tagesspiegels gibt es weitere Merkwürdigkeiten. Bereits während des Asylverfahrens war den Behörden aufgefallen, dass sich häufig eine unbekannte Person nach dem Stand des Verfahrens erkundigte. Dabei soll es sich nicht um den Anwalt der Flüchtlinge gehandelt haben. Die Asylbehörde schaltete deshalb die „Hauptstelle für Befragungswesen“ ein – eine interne Kontrolleinrichtung des Bundesamtes für Ausländerfragen.

Der Hamburger Anwalt, der vier der fünf Verhafteten in ihren Asylverfahren vertritt, will sich weder zu diesen Vorgängen noch zur Botschaftsbesetzung äußern. In Berliner Polizeikreisen war spekuliert worden, die Täter hätten mit dem Überfall „ihren Status als Asylbewerber zementiert“. Die Männer sind jedoch nicht von Abschiebung bedroht. Zum einen laufen ihre Asylverfahren noch, zum anderen könne man, so ein Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums, ohnehin niemanden in den Irak abschieben, weil es aufgrund des Embargos keinen Direktflug nach Bagdad gebe.

Im vergangenen Jahr haben in Deutschland mehr als 17 000 irakische Bürger Asyl beantragt, 1995 waren es knapp 7000. Mehr als die Hälfte der Anträge ist 2001 positiv beschieden worden. In diesem Jahr werden aber nach Auskunft der Ausländerbehörden aufgrund veränderter Rechtssprechung etwa zwei Drittel der Anträge abgelehnt.

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