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Bewusstlose Abiturientin in Berlin vergewaltigt: Angeklagter Marvin S. schweigt vor Gericht zu weiteren Vorwürfen
Der mutmaßliche Serienvergewaltiger Marvin S. steht knapp drei Monate nach einer ersten Verurteilung weiten weiterer Vorwürfe vor Gericht. Dem 38-Jährigen droht Sicherungsverwahrung.
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Die Frauen erfuhren erst durch die Polizei, dass sie vermutlich Opfer von Straftaten wurden. Marvin S. soll sie vergewaltigt und dabei gefilmt haben, als sie bewusstlos waren. Knapp drei Monate nach seiner Verurteilung zu fünfeinhalb Jahren Haft wegen Vergewaltigung einer bewusstlosen Abiturientin steht der 38-Jährige in einem zweiten Prozess vor dem Berliner Landgericht.
Im grauen Pullover saß der studierte Betriebswirt und einstige Geschäftsführer auf der Anklagebank. Drei Verteidiger treten für ihn auf. Ledig, derzeitige Adresse sei die JVA Moabit, gab er zu Protokoll. Zu den beiden Anklagen schwieg er.
Bei einem Schuldspruch droht ihm auch die Anordnung von Sicherungsverwahrung nach verbüßter Haft – zum Schutz der Öffentlichkeit. Und es steht die Frage im Raum, ob es weitere Opfer gibt.
Es geht um zwei Frauen, deren hilflose Lage er ausgenutzt haben soll. Eine inzwischen 47-Jährige soll er im Februar 2020 in deren Wohnung vergewaltigt haben, eine 29-Jährige im März und im Juni 2021 in drei Fällen. Wie die Abiturientin, die am 22. April 2022 fast tot in der Wohnung von Marvin S. in Steglitz lag, seien auch sie bei den Taten bewusstlos gewesen, so die Ermittler.
Details der beiden Anklagen wurden nicht bekannt. Sie wurden unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlesen – zum Schutz der betroffenen Frauen. Das Gericht folgte damit einem Antrag der Nebenklage-Anwältinnen. Sie sagten am Rande der Verhandlung, es seien „entwürdigende“ Szenen, die auf sichergestellten Handy-Aufnahmen entdeckt worden seien.
Ihre Mandantinnen seien vor wenigen Monaten bei der Polizei mit Bildern konfrontiert worden – „sie waren schockiert und traumatisiert“, so Anwältin Laura Leogrande. Sie hätten bis zu dem Zeitpunkt nichts geahnt. Beide Frauen seien einst mit Marvin S. liiert gewesen – eine mehrjährige Beziehung sei es bei der 47-Jährigen gewesen, einige Monate bei der 29-Jährigen.
Die Anwältin der 29-Jährigen sagte: „Wir kritisieren, dass sein Handy monatelang von der Polizei nicht ausgewertet wurde.“ Es gebe noch Aufnahmen, die „nicht bestimmten Frauen“ zugeordnet werden konnten. „Es gibt weitere Ermittlungen“, sagte Anwältin Magdalena Gebhard.
Die nun verhandelten Vorwürfe und der Verdacht, es könnte sich um einen Serientäter handeln, wurden im letzten Frühjahr im ersten Prozess bekannt. Das Gericht hatte die vollständige Auswertung eines Handys von S. durch die Polizei angeordnet. Was Ermittler entdeckten, führte zur Festnahme von S. am 4. April im Gerichtssaal.
Der Fall Marvin S. sorgte für Empörung – inzwischen laufen interne Ermittlungen gegen Polizisten. Beamte, die am 22. April 2022 von einer Notärztin alarmiert worden waren, sahen zunächst keinen Anlass, zu ermitteln. Obwohl die 20-Jährige fast tot in der chaotischen Wohnung lag. Ihr Herz stand still, ihr nackter Körper war mit frauenverachtenden Worten beschmiert. Zwölf Minuten lang wurde sie reanimiert.
Marvin S. – von Zeuginnen als „charmant, sprachgewandt, aber auch stark manipulativ“ beschrieben – und die Abiturientin waren sich an einer Haltestelle zufällig begegnet. Sie war stark alkoholisiert, aus Liebeskummer hatte sie getrunken. Das habe der ihr unbekannte Mann erkannt und ausgenutzt, hieß es im Juli im Urteil. Freiwillig sei sie mitgegangen. Die Risiken ihres Handelns habe sie schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr voll überblicken können.
Er bot ihr Kokain, Heroin und weitere Drogen an, habe sie zum Konsum animiert, so das Gericht. „Sie war im Umgang mit Drogen nicht erfahren. Er aber wusste, dass diese Kombination von Alkohol und Betäubungsmitteln zur Bewusstlosigkeit führen kann.“ Das habe er ausgenutzt. Er habe sexuelle Handlungen an ihr vornehmen wollen – „mit oder ohne ihre Zustimmung“.
Bei der vollständigen Auswertung seines Handys sollen viele Bilddateien aus etwa zehn Jahren gefunden worden sein. Ein psychiatrischer Gutachter hatte im ersten Prozess gesagt, es gebe „Hinweise, dass es ihn anspricht, mit leblos wirkenden Personen sexuell zu agieren“. Der Prozess geht am 6. Oktober weiter.
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