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Die Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf war kurz und heftig, es gab Streit über eine Große Anfrage der SPD.

© Anett Kirchner

Januar-BVV Steglitz-Zehlendorf: Streit und Befindlichkeiten

Einem Jugendhilfeträger wird gekündigt - und in der Bezirksverordnetenversammlung streiten die Parteien über das Jugendamt. Große inhaltliche Debatten über Probleme im Bezirk hatte die erste BVV im Wahljahr nicht zu bieten.

"Es reicht mir jetzt!“ Die Jugend-Bezirksstadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne) geriet gleich in der ersten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in diesem Jahr ins Kreuzfeuer und fühlte sich offenbar zu Unrecht angegriffen. „Gerade Sie als Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses hätte ich mir in dieser Frage an meiner Seite gewünscht“, sagte sie zu Renate Krohm (SPD). Eigentlich sollte es laut Tagesordnung um die Frage gehen, warum der Bezirk dem sozialen Jugendhilfe-Träger „Helmut Ziegner Berufsbildung“ den Mietvertrag gekündigt hatte. Doch letztlich diskutierten die Bezirkspolitiker vorrangig über die Art und Weise des Umgangs zwischen Jugendamt und Jugendhilfeausschuss.

Vor allem Markl-Vieto und Krohm schenkten sich nichts. „Vor lauter Umstrukturierung funktioniert im Jugendamt nichts mehr“, kritisierte die Bezirksverordnete Krohm. 18 offene Stellen seien nicht besetzt. Das liege es doch auf der Hand, dass man hier mit Stellenabbau die Defizite im Amt ausgleichen wolle. Außerdem, mahnte sie, sei der Jugendhilfeausschuss (JHA) nicht über die Kündigung des besagten Mietvertrages informiert worden. „Mir ist unverständlich, dass sie einfach hingehen und kündigen“, sagte Krohm. Das empfinde sie beschämend, noch dazu der Träger jahrelang gute Arbeit hier im Bezirk geleistet habe.

Auch Georg Boroviczény von den Piraten erinnerte, dass der JHA laut Bezirksverwaltungsgesetz Teil der Verwaltung, also des Jugendamtes sei, demnach über solche Vorhaben informiert werden müsse. „Wir sind jedoch nicht beteiligt worden“, klagte er, der Mitglied im JHA ist. „Und weil das schon mehrfach geschehen ist, gehe ich von Vorsatz aus.“

Markl-Vieto war es anzusehen, wie sehr sie sich über die Vorwürfe ärgerte. Es hielt sie kaum auf ihrem Sitz. Da half auch nicht viel, dass ihr die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Maren Schellenberg, den Rücken stärkte, indem sie sagte, dass das mit den unbesetzten Stellen im Jugendamt nicht so einfach sei. Denn diese müssten zunächst einmal finanziert werden. Schließlich ging Markl-Vieto aufgebracht zum Rednerpult und verschaffte sich Luft.

Die CDU verhielt sich relativ ruhig

„Ich finde es sehr merkwürdig, wie wenig Empathie und Verständnis sie für die schwierige Situation im Jugendamt haben“, sagte sie. Viele erinnerten sich bestimmt daran, als im Sommer letzten Jahres Jugendamtsmitarbeiter weiße Bettlaken aus ihren Büros hängen ließen; unter anderem mit der Aufschrift: „Stoppt das Kapputtsparen!“ Es werde nicht umstrukturiert, weil man Spaß daran habe, sondern weil es nicht anders gehe. Ferner erinnerte Markl-Vieto die JHA-Ausschussvorsitzende Krohm, dass sie es schließlich sei, die gemeinsam mit der Jugendamtsleiterin Doris Lehmann die jeweilige Tagessordnung des JHA festlege.

Besucher der BVV am Mittwoch im Rathaus Zehlendorf.
Besucher der BVV am Mittwoch im Rathaus Zehlendorf.

© Anett Kirchner

„Sie hatten angekündigt, dass die Kündigung der Hellmut Ziegner Berufsbildung mit auf die Tagesordnung kommt, haben es dann aber nicht gemacht“, wehrte sich die Bezirksstadträtin. Daraus habe sie jetzt gelernt und werde künftig wieder anwesend sein, wenn die Themen für den Ausschuss im Vorfeld besprochen würden. Dazu Krohm fast trotzig: „Gut, dann lasse ich in Zukunft bei jedem Gespräch einen Rekorder laufen, damit alles aufgezeichnet wird.“

Ausgangspunkt der Debatte war Große Anfrage der SPD

Im Vergleich zu den anderen Fraktionen verhielt sich die CDU, die größte der BVV von Steglitz-Zehlendorf, ruhig. Nur einmal trat der Fraktionsvorsitzende Torsten Hippe kurz ans Mikrofon und gab zum Besten, dass es doch schließlich Renate Krohm gewesen sei, die im vergangenen Jahr vergessen habe, den Bezirkshaushalt auf die Tagesordnung des JHA zu setzen. „Wenn ich sie nicht daran erinnert hätte, hätten wir den Haushalt später nicht beschließen können“, erklärte Hippe.

Doch was war eigentlich der Ausgangspunkt der Debatte? Eine Große Anfrage der SPD, bei der die Helmut Ziegner Berufsbildung im Mittelpunkt stand.

Das ist ein soziales Dienstleistungsunternehmen im Bereich beruflicher Bildung für benachteiligte Jugendliche, das in Steglitz-Zehlendorf seit etwa 40 Jahren einen Standort auf dem Gelände des bezirklichen Jugendausbildungszentrums (JAZ) an der Lissabonallee hat. Wegen steigender Betriebs- und Bewirtschaftungskosten habe das Jugendamt 2015 mit dem Unternehmen über eine Aktualisierung des Mietvertrages gesprochen, sagte Markl-Vieto. Ferner sei eine Prüferin des Rechnungshofes vor Ort gewesen, die die Vergabe der Gebäude an der Lissabonallee mit den Nutzungs- und Mietverträgen unter die Lupe genommen habe.

Schließlich sei festgestellt worden, dass das Unternehmen kaum noch Angebote der Jugendhilfe im Sinne des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) umsetze. Aktuell betreue es lediglich vier Jugendliche. Der Rest sei Gewerbe. „Dann können wir aber die Räume nicht mehr mietfrei anbieten“, erklärte sie. Der Bezirk hätte also Miete verlangen müssen, die das Unternehmen wiederum aus wirtschaftlichen Gründen nicht tragen könne. Deshalb habe man sich auf eine Kündigung zu Ende 2016 geeinigt. Bis dahin könne die Firma mietfrei die Räume nutzen.

Beim Stichwort Finanzen merkte der Fraktionsvorsitzende der SPD und Vorsitzende des Haushaltsausschusses Norbert Buchta auf. Durch die Kündigung fielen doch Einnahmen von etwa 88.000 Euro weg, hinzu kämen die laufenden Betriebskosten. „Dabei entsteht ein Loch von rund 100.000 Euro im Haushalt“, rechnete er. Markl-Vieto versicherte jedoch, dass durch den Wegfall des Betriebes in den Räumlichkeiten die Kosten auf ein Minimum zurückgefahren würden. Außerdem, fügte die Bezirksstadträtin hinzu: „Im Rahmen des Möglichen werden wir versuchen, dass in einer neuen Kooperation die Helmut Ziegner Berufsbildung wieder in neue Projekte einsteigen kann.“

Die Autorin ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Tagesspiegel-Zehlendorf. Folgen Sie Anett Kirchner auf Twitter und auch der Redaktion Zehlendorf .

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