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Berlin: Bilder aus dem Himmel

Für sein WM-Studio hat sich der englische TV-Sender „Sky Sports“ einen ungewöhnlichen Ort gewählt Acht Mal täglich sendet er vom Corbusierhaus. Und dabei ist die Moderatorin nicht mal schwindelfrei

Ein Barhocker, ein Pult mit einem Wasserglas und dahinter das Olympiastadion, von oben. Was für ein Ausblick! Es ist 11 Uhr morgens, die Moderatorin lächelt in die Kamera. „Hello this is he worldcup report live from Berlin.“ Der englische Fernsehsender „Sky Sports“ hat vielleicht nicht den prominentesten Platz für sein WM-Studio gewählt, aber ganz sicher den ungewöhnlichsten: In 54 Meter Höhe, direkt auf dem Dach des Corbusierhauses in der Charlottenburger Flatowallee 16.

Ins Olympiastadion können die Millionen Zuschauer zwar nicht gucken, die Vogelperspektive aber auf die Arena des WM-Finales und über die Stadt haben sie exklusiv. Ihr schärfster Konkurrent, die BBC, hat die Rechte für die Spielübertragung und sitzt am Brandenburger Tor. Eine zusätzliche Kamera auf dem Corbusierhaus hätte sie trotzdem gern gehabt. „No way“, sagt Kelly Dalglish, 30 Jahr, blondes Haar und gut gelaunt. „Dafür hätten sie uns schon auch aufs Brandenburger Tor lassen müssen.“ Das wollten die BBC-Kollegen dann doch nicht, und so bleibt die Sky-Sports-Crew unter sich auf dem Dach. Zwei Moderatoren, zwei Kameramänner, eine Produzentin und ein Techniker. Alle wohnen sie im Haus, ein paar Stockwerke unter dem Arbeitsplatz. Dass sie ihren weithin sichtbaren Kasten auf das Dach des einzigen Hochhauses weit und breit stellen durften, ließen sie sich angeblich 25 000 Euro Miete kosten.

„Hello this is the worldcup report live from Berlin.“ Acht Mal am Tag sagt sie diesen Satz, das letzte Mal abends um elf. Vier Wochen lang, selbst wenn die englische Nationalmannschaft ausscheiden sollte. Aus ihrem WM-Studio berichten sie vor allem über die Fans („zum Glück sind sogar die englischen meistens friedlich“) und die Berliner Stimmung („well organized but easy“). Manchmal kommt auch ein Gast zum Interview herauf, nimmt den Fahrstuhl in den zehnten Stock, steigt die Treppe bis zur Luke und geht übers Dach. Vorbei an Abzugshauben und über eine aus Gerüstteilen improvisierte Treppe hinauf zum Studio. Das sieht eher wie eine kleine, aus Holz zusammengezimmerte Hütte aus. Innen verhängen schwarze Tücher die Wände und Decke, die Panorama-Seite ist aus Plexiglas. Außen sind zwei Stahlbänder darüber gespannt, damit die Studiokiste bei Wind nicht wegfliegt. Zum Glück gehe ihr Blick normalerweise in die Kamera, sagt Kelly, wirklich schwindelfrei sei sie nicht.

Dabei sollte das Dach mal eine Art Spielwiese sein. Le Corbusier wünschte sich eine steinerne Landschaft auf dem Dach seiner „Wohnmaschine“. Vier solcher Gebäude stehen in Frankreich, die größte in Marseille: mit Aussichtsturm, Sonnenbad, Turnhalle und 300-Meter-Trainingsbahn auf dem Dach. In Berlin gab es dafür in den Fünfzigern kein Geld.

Es geht auch ohne Pool. Der Kameramann hat sich das T-Shirt ausgezogen und sonnt sich. Kelly wagt einen Blick über die Dächer der Stadt und das Stadion. Am liebsten möge sie den Sonnenuntergang von hier oben, sagt sie. Und unten sind die deutschen Fernsehmacher verblüfft, warum sie in all den Jahren nicht selbst auf die Idee gekommen sind.

Johanna Lühr

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