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Berlin: Bitte Biedermeier

Bei „Tisch und Stuhl“ werden seit 25 Jahren Holzschönheiten liebevoll restauriert

„Kennen Sie Menzel?“ So oder so ähnlich beginnt wohl jedes Gespräch mit Ulrich Klöttschen. Denn ein so genannter Menzelstuhl war es, der Klöttschen vor 25 Jahren dazu bewog, das Fachgeschäft „Tisch und Stuhl“ in der Reichenberger Straße 102 zu eröffnen. Von den in Handarbeit selbst aufgearbeiteten Biedermeierstühlen hatte Klöttschen irgendwann so viele in der eigenen Wohnung herumstehen, dass schon aus Platzgründen an der eigenen Selbstständigkeit kein Weg mehr vorbeiführte.

Die Liebe zum Menzelstuhl ist bis heute geblieben. „Ein wunderbarer Stuhl“, sagt Ulrich Klöttschen und streicht geradezu zärtlich über eine der honiggelb schimmernden Stuhllehnen. In dem gemütlichen, über 100 Quadratmeter großen Berliner Antikladen, den Klöttschen gemeinsam mit seiner Frau führt, finden sich Dutzende des eleganten Biedermeierklassikers. Selbst an den Wänden hängen die grazilen Gebrauchsstühle. Ob aus Buche, Eiche oder Obsthölzern gefertigt, mit schlichtem Rücken oder leichtem Ornament. Die Sitzflächen mit schwarzem Leinen bezogen oder klassisch geflochten. Allen gemeinsam sind die für den Menzelstuhl charakteristischen Seitenrahmen und die abgerundete Sitzfläche.

Doch nicht nur modernes Biedermeier, auch Gründerzeit und Jugendstil sind bei dem Ehepaar Klöttschen vertreten. Die Antikliebhaber haben sich auf Tische und Stühle aus den Jahren 1830 bis 1930 spezialisiert, die von ihnen in der eigenen Werkstatt liebevoll aufgearbeitet werden, bis das alte Holz zu neuem Leben erwacht: Erst wird es gereinigt, abgeschliffen und schließlich in sorgfältiger Handarbeit die hochempfindliche Schellackpolitur aufgetragen. „Doch niemals wird das alte Holz abgelaugt“, betont Klöttschen. Das würde die schöne Farbe der antiken Möbel zerstören, ihnen für immer einen tristen grau-grünen Schleier geben.

Die Freude an den einzelnen Stücken ist dem Ehepaar Klöttschen gut anzumerken. Augenblicklich wird von ihnen selbst aus der hintersten Ecke des Spezialgeschäfts noch ein Stuhl hervorgeholt, um auf ungewöhnliche Details hinzuweisen. Wie zum Beispiel auf die alte, noch immer gut lesbare Originalaufschrift „Bombensicher“ an der Stuhlunterseite eines besonders robusten Bugholzstuhls von Thonet. Von Thonet gibt es bei „Tisch und Stuhl“, die ihre antiken Möbel auch bundesweit ausliefern, eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle. Neben den weltberühmten Kaffeehausstühlen, die mit ihrer Formschönheit und Funktionalität bestechen, hängt bei ihnen auch ein ausladend geschwungener Schaukelstuhl direkt unter der stuckverzierten Decke.

Besonders typisch für Berlin, so erzählt Klöttschen, sei die Stilepoche Gründerzeit und zeigt dann auf einen dunkel gebeizten, sehr wuchtigen Schreibtischstuhl: „Genau auf einem solchen repräsentativen Exemplar hatte einst auch Einstein gesessen.“ Klöttschen hat sogar ein Bild, auf dem man Albert Einstein auf einem solchen Gründerzeitstuhl sitzen sieht. Ob dieser dem Nobelpreisträger damals auch gefallen hat, steht allerdings nicht dabei. Und Klöttschen erzählt dann auch lachend, dass ausgerechnet dieser schwere Gründerzeitstuhl nicht zu den absoluten Lieblingen seiner Kunden gehöre. Dass sich das Ehepaar Klöttschen nun nach insgesamt 25 Jahren langsam auf den Ruhestand vorbereitet, fällt ihnen nicht leicht. Umso mehr hoffen sie, dass sich ein Nachfolger finden wird, der „Tisch und Stuhl“ in Zukunft mit gleichem Engagement weiterführt.

Weiteres im Internet: www.tisch-und-stuhl-antik.de

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