
Berliner Schülerleistungen: Das Geld allein wird es nicht bringen
Zweifel am positiven Verhältnis zur Leistung: Zwei Bildungsexpertinnen und ihre Thesen zu notwendigen Reformen in Berlin. Eine Position.
Berlin gibt laut Bildungsfinanzbericht 2018 des Statistischen Bundesamtes bundesweit pro Schüler*in das meiste Geld aus und erreicht damit nach „Bildungstrend 2016“ des Instituts für Qualitätsentwicklung die zweitschlechtesten Ergebnisse beim Vergleich der Schülerleistungen. In den Ausgaben sind noch nicht die kürzlich beschlossenen Maßnahmen wie das kostenlose Schulessen, die Aufhebung der Zuzahlung zu Lernmitteln, der kostenlose Hort und die Brennpunktzulage für Lehrkräfte und Erzieher*innen enthalten. Theoretisch könnte oder sollte bei diesem Ausgabenvolumen ein Klima entstehen, dass sich alle gut versorgt und ausgestattet fühlen und ihr Bestes tun, damit die Ergebnisse stimmen. Es könnte aber auch eine weitere Ausgabensteigerung bedeuten, die sich ebenso wenig in besseren Schülerleistungen niederschlägt wie frühere Bemühungen.
Woran liegt es, dass offenbar Aufwand und Effekt in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen? Was könnte getan werden, damit der gewünschte Effekt eintritt?
Fehlender Konsens über Ziele
Was ist eigentlich der gewünschte Effekt, gibt es darüber einen Konsens? Hier liegt möglicherweise schon das erste Problem. Sind möglichst gute Schülerleistungen, sowohl kognitive wie soziale, Konsens auf allen Ebenen? Die nach wie vor vorhandene Skepsis gegenüber Vergleichsarbeiten in Berliner Schulen lassen daran Zweifel aufkommen. Hier liegt eine Baustelle, an der gearbeitet werden muss. Bei vielen Pädagog*innen gibt es die Befürchtung, dass hohe Leistungsanforderungen nur die Segregation von schwächeren Schüler*innen zur Folge hätten. Eine solche Haltung kann aber die Unterforderung vieler Schüler*innen nach sich ziehen. Die Senatsverwaltung hat ein Qualitätspaket aufgelegt, das viele (39) Punkte auflistet, mit denen die Qualität in der Berliner Schule verbessert werden soll. Damit wird der Fokus auf einen dringenden Handlungsbedarf gerichtet. Darin liegt eine Chance, den notwendigen Konsens bei den Akteuren zu erreichen, die vor Ort für die Qualität sorgen müssen. Nicht erkennbar ist bislang eine Strategie, wie alle Ebenen so einbezogen werden, dass sie Verantwortung für das gemeinsame Ziel übernehmen. Das Ziel sollte ein positives Verhältnis zu Leistung sein verbunden mit einem lernfreundlichen Klima und dem Zutrauen, dass Schüler*innen zu mehr in der Lage sind.
Zu viel Gießkanne – zu wenig Prüfung der Wirksamkeit
Es ist geplant, dass in allen Grundschulen in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 eine Stunde Deutsch mehr unterrichtet werden soll. Warum wird dies auch für die Regionen und Schulen vorgegeben, in denen die Kinder darin bereits gute Ergebnisse erreichen? Warum nicht gezielt Förderstunden dorthin geben, wo sie gebraucht werden – dann aber die Effekte auch wirklich kontrollieren. Bei Schulinspektionen müssten die Schülerleistungen erheblich höher gewichtet werden und die Kommunikation zwischen Schulleitungen, Schulaufsicht und Schulinspektion muss dafür erheblich besser werden.
Zu viel Misstrauen – zu wenig Vertrauen
Zwischen den Akteuren in den Schulen, Schulleitungen, regionaler Schulaufsicht und Senatsverwaltung (häufig betrifft es auch noch die bezirklichen Schulämter) herrscht zu viel wechselseitiges Misstrauen, dass Zusagen über Mittelzuweisung nicht eingehalten würden oder nicht alles dafür getan werde, alle Mittel auch zum Wohle der Schüler*innen einzusetzen. Das Berliner Schulgesetz sichert den Schulen Eigenverantwortlichkeit zu. Schulen sollten nicht fürchten müssen, von Schulaufsicht oder vom Schulträger in dieser Eigenverantwortung durch detaillistisches Hineinregieren eingeschränkt zu werden. Sie sollten sich umgekehrt darauf verlassen können, dass alle Akteure ihre spezifische Verantwortung für die Sicherung der Schulqualität wahrnehmen, indem zugesagte und vereinbarte Rahmenbedingungen eingehalten werden. Hier hilft nur offene Kommunikation, Transparenz in der Mittelzuweisung auch innerhalb der Schulen. Und – .über Lösungsmöglichkeiten. Alle Akteure müssen auf Augenhöhe verhandeln. Zu der verlangten Transparenz gehört auch die öffentliche Rechenschaftslegung über die Verwendung der Ressourcen und die Zielerreichung durch die Schulen.
Klare Verantwortungsstrukturen und klare Zuständigkeiten
Um an dem gemeinsamen Ziel – dem bestmöglichen Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen und der Vermittlung von guten Kompetenzen – zu arbeiten, müssen sich alle Akteure auf allen Ebenen verantwortlich fühlen und für ihren jeweiligen Handlungsbereich als zuständig erklären. In Berlin können viele erklären, was die jeweils andere Stelle besser machen sollte, aber es kommt darauf an, jeweils selbst für sich den Veränderungsbedarf zu erkennen und zu akzeptieren. Dazu gehört auch eine Bereitschaft, seine eigene Arbeit immer evaluieren zu lassen, auch Selbstevaluationsportale besser zu nutzen – und zwar auf allen Ebenen. Für die politische Spitze bedeutet dies auch, eigene Reformimpulse auf den Prüfstand zu stellen und lieber mehr mit den Akteuren zu beraten, die dies umsetzen sollen und dafür weniger Reformen anzupacken.
Alle Akteure müssen es sich zur eigenen Aufgabe machen, dass möglichst gute Schülerleistungen erreicht werden und sich alle in diesem gemeinsamen Anliegen unterstützen. Das bedeutet aber auch, die eigene Aufgabe als Dienst am gemeinsamen Ziel zu definieren.
Ziel müssen erfolgreiche Bildungsverläufe sein
Im Qualitätspaket der Berliner Schulverwaltung ist vorgesehen, dass alle Schulen mit ihrer Schulaufsicht in einem Schulvertrag Vereinbarungen darüber festlegen, welche Entwicklungsziele jede Schule innerhalb des jeweils nächsten Jahres erreichen will. In diesen Verträgen müssten sich auch die anderen Akteure, die regionale Schulaufsicht, die Schulträger und die Senatsverwaltung zu ihren eigenen Beiträgen verbindlich verpflichten. Wenn hierzu systematisch mit den zur Verfügung stehenden Daten über die Entwicklung der Schülerleistungen gearbeitet wird und diese im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen, könnte es eine Chance geben, aus den finanziellen Mitteln, die für die Schulen bereit gestellt werden, ein viel wertvolleres Kapital zu entwickeln: erfolgreiche Bildungsverläufe für alle Berliner Schülerinnen und Schüler. Das Geld alleine wird es nicht bringen.
Sybille Volkholz ist Vorsitzende des Fachbeirats Inklusion und ehemalige Berliner Schulsenatorin, Hannelore Trageser ist Schulleiterin und Oberschulrätin a.D.
Hannelore Trageser, Sybille Volkholz