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Wenige Volltreffer. Schusstraining steht allerdings erst im Laufe der Polizei-Ausbildung auf dem Plan und ist nicht Teil des Bewerbungsverfahrens.

©  Rainer Jensen/dpa

Berliner Polizei: Der Nachwuchs fehlt

Zum dritten Mal schon muss die Berliner Polizei den Zeitraum für Bewerbungen verlängern. Auch einen Monat nach Ablauf der eigentlichen Frist sucht sie weiter nach Bewerbern.

Zum dritten Mal muss die Berliner Polizei den Zeitraum für Bewerbungen verlängern. Denn die Ordnungshüter sind nicht nur chronisch unterbesetzt, auch an Nachwuchs mangelt es. Nachdem im Jahr 2016 noch ein Anstieg der Bewerbungen für den Polizistenberuf verzeichnet wurde, fällt die Zahl der Bewerber in diesem Jahr wieder deutlich geringer aus.

So gering, dass die Polizei ihre Bewerbungsfrist nun zum insgesamt dritten Mal verschoben hat – und selbst danach könnte es wiederum einige Tage Aufschub geben. Denn bislang sind nur 6000 Bewerbungen für den Ausbildungsbeginn im Frühjahr 2018 eingegangen.

„Optimal wären etwa 8000 Bewerbungen“

Die letzte, zweiwöchige, Verlängerung, die am Donnerstag ablief, hat daran kaum etwas geändert. Laut Polizei sind pro Stelle „durchschnittlich 10 bis 15 Bewerber erforderlich“. Bei rund 600 im Frühjahr zu besetzenden Stellen geht die Rechnung also nur knapp auf.

„Optimal wären etwa 8000 Bewerbungen“, sagt Polizeisprecher Thomas Neuendorf. Obwohl die bisherigen Fristaufschübe nur wenig Wirkung hatten, unternimmt die Berliner Polizei jetzt einen dritten Versuch und verschiebt die Bewerbungsfrist erneut um zwei Wochen – diesmal bis zum 15. September.

Zehn Prozent der Bewerber fallen durch den Online-Test

Der geringe Zuspruch könnte auch mit den Einstellungskriterien der Polizei zusammenhängen. Kleine Bewerber (1,60 Meter bei Frauen, 1,65 Meter bei Männern) und solche mit großen, sichtbaren Tattoos werden nicht zugelassen. Auch wenn diese Vorgabe kritisiert – und im Fall einer Bewerberin sogar vor Gericht beklagt – wird: Die Mindestgröße ist rechtmäßig. Das hatte das Berliner Verwaltungsgericht erst Mitte Juni bestätigt.

Etwa zehn Prozent aller Bewerber fallen zudem durch den Online-Test, in dem etwa Allgemeinwissen und Mathekenntnisse getestet werden. „Auf den muss man sich vorbereiten, mal eben auf dem Handy in der U-Bahn wird das nichts", sagt Polizeisprecher Neuendorf.

Am Verfahren solle sich zunächst nichts ändern

Am Verfahren solle sich zunächst auch nichts ändern. Das stellte die Polizei in einem „Faktencheck“ klar. Zu dem sah man sich offenbar veranlasst, nachdem über gesenkte Bewerbungsvoraussetzungen und vermeintlichen Personalabbau bei der Berliner Polizei berichtet wurde.

Besonders letzterem widerspricht die Polizei; die Zahl der Neueinstellungen solle künftig sogar noch steigen. Einem weiteren Vorwurf, die Polizei sei als Arbeitgeber nicht attraktiv genug für junge Leute, begegnet die Behörde mit einer Schülerumfrage. Dort stehe die Polizei, gleichwohl in ganz Deutschland, „unangefochten“ auf Platz eins der beliebtesten Arbeitgeber – noch vor BMW und Lufthansa.

Es bleibt nur ein mageres Personalplus

Die Berliner Polizei scheint von diesem Trend aktuell jedoch nur wenig zu spüren. Mehr als 16 000 Polizisten tun in Berlin derzeit Dienst. Was der Faktencheck ebenfalls zeigt: Auch wenn die Zahl der neuen Beamten in den nächsten Jahren noch steigen soll, um Pensionierungen bereinigt bleibt durch die Neubewerber so nur ein mageres Personalplus von etwa 200 Beamten.

Der Bedarf im Bereich des Polizeilichen Staatsschutzes stieg immens

Nach Einschätzung von Bodo Pfalzgraf, dem Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Berlin, ist das noch immer zu wenig. „Locker 3000 bis 5000 Beamte müssten im Strafvollzug und in der Verwaltung eingestellt werden“, fordert Pfalzgraf für die Hauptstadt.

Der Bedarf an Sicherheitskräften stieg zuletzt vor allem im Bereich des Polizeilichen Staatsschutzes immens. Hinter der Bezeichnung verbirgt sich eine zum Landeskriminalamt gehörende Abteilung, zu deren Aufgaben auch die Terrorbekämpfung zählt. Ebenfalls dort untergebracht: Die „Taskforce Lupe“, eine Aufklärungsgruppe, die den gesamten Fall des LKW-Attentäters Anis Amri noch einmal aufarbeitet.

Die Berliner Polizei versucht dem Personalmangel nun seit einiger Zeit mit umfassenden Umstrukturierungen innerhalb der Behörde beizukommen. Eine ganze Mordkommission verstärke den Bereich zur Terrorbekämpfung jetzt, zudem „einzelne Beamte“ aus der Drogenfahndung, sagt Pressesprecher Neuendorf.

„In der Intensität der Umstrukturierung ist Berlin ganz weit vorne“

Für Michael Böhl vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) ein Alarmzeichen. „In der Intensität der Umstrukturierung ist Berlin ganz weit vorne“, sagt Böhl. Er befürchtet, dass zivile Fahnder, die in den Berliner S- und U-Bahnen bisher für das Aufdecken von Drogenschmuggel zuständig gewesen sind, nun am Schreibtisch Akten aufarbeiten.

Er ist sich sicher, dass die Personalnot bei der Polizei langfristig auch mit einem Anstieg der Kriminalität einhergeht. Neue Stellen könnten das Problem lösen, doch dafür fehlen die Bewerber.

Felix Kessler

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