Berlin: Der stille Mauerwinkel
„Da drüben“, sagten sie einmal, als wir sie in ihrem Häuschen im Grenzgebiet besuchten, „ist die Invalidensiedlung“. Das war ungefähr so weit wie der Mond, nur, dass man die Dächer der Häuser sehen konnte, so nah waren sie.
„Da drüben“, sagten sie einmal, als wir sie in ihrem Häuschen im Grenzgebiet besuchten, „ist die Invalidensiedlung“. Das war ungefähr so weit wie der Mond, nur, dass man die Dächer der Häuser sehen konnte, so nah waren sie. Aber zwischen der Florastraße Hohen Neuendorf und der Invalidensiedlung im nördlichen Zipfel von Frohnau war die Mauer. Die 50 hufeisenförmig angeordneten Klinkerbauten für Kriegsversehrte standen am Ende der Welt, hier herrschte paradiesische Ruhe, zumal die Schienen der nahen SBahn-Trasse abmontiert waren. Aber zurück zum Besuch bei Freunden im Sperrgebiet: Die mussten für ihre Sonntagnachmittagskaffeegäste 14 Tage vorher einen Passierschein beantragen, und der wurde brav am Eingang zu der Straße, wo sich ein Volkspolizist langweilte, vorgezeigt. Einmal hatten wir das Bedürfnis, auch ohne Schein in die Florastraße einzudringen, was dazu führte, dass uns die Leutchen an einer bestimmten Stelle in ihr Auto einluden, wo wir uns beim Passieren des Kontrollpunkts auf den Boden legten – glücklicherweise hatten die keinen Trabant. Es war eine spannende Angelegenheit, zumal durchaus die Möglichkeit bestand, dass die Grenzorgane unangemeldet durch die Wohnräume schlenderten, weil sie „Fluchtgefahr“ von unangemeldeten Menschen witterten, dies aber nie sagten. Einmal war es einem DDR-Bürger gelungen abzuhauen. Zurück blieb eine einsam an der Mauer lehnende Leiter. Sogleich kamen hektische Suchtrupps, um die in den Zwei-Familien-Häusern wohnenden Hohen Neuendorfer nach der Existenz von Leitern zu befragen. Heute schlendern wir rüber nach Frohnau, die S-Bahn rollt und wir lachen über die Stories von vorgestern. Lo.
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