
© Kai-Uwe Heinrich
Audiotour Nummer 3: Die erkämpfte Villa am Fichtenberg
Als sei sie verwachsen mit dem Fichtenberg, habe auf Ewigkeit Wurzeln geschlagen, steht die Gründerzeitvilla an der Schmidt-Ott-Straße 6.
Als sei sie verwachsen mit dem Fichtenberg, habe auf Ewigkeit Wurzeln geschlagen, steht die Gründerzeitvilla an der Schmidt-Ott-Straße 6. Als habe niemand je gewagt, ihr einen Stein zu krümmen, sie gar abzureißen, um einen dieser hässlichen Kästen hinzustellen, mit luxuriösen Eigentumswohnungen, mit Profit und für viel zu viel Geld.
Der Schauspieler Andreas Grothusen, 65 Jahre alt, ist verwachsen mit dem Steglitzer Haus. Großeltern, Eltern hatten hier gewohnt, zur Miete, in den großen Räumen im Erdgeschoss, mit Säulentreppe zum Garten. Mitte der siebziger Jahre, als ringsum etliche Grundstücke veräußert wurden, stand – was die Mieter schon befürchtet hatten – auch dieses Haus zum Verkauf. Es war für die Familie, für Grothusen, ein Stich ins Herz.
„Um so ein Haus muss gekämpft werden“, sagt er. Er organisierte Widerstand, mobilisierte die Öffentlichkeit, sammelte mehr als 600 Unterschriften. Es ging ihm nicht nur ums Einzelhaus, dem ein Gutachten die Denkmalwürde bescheinigte. Es ging ihm auch um die Achtung vor Architektur, vor dem gewachsenen Ortsbild, das gefährdet war. Grothusen fühlte sich von der Politik im Stich gelassen – nur die Grünen stellten sich auf seine Seite, mit dem heutigen Europa-Abgeordneten Michael Cramer. Der Kampf dauerte eineinhalb Jahre. Er kostete Nerven, selbst am späten Abend lärmten Abrissbagger in der Umgebung. Der Protest lohnte sich. Das Haus wurde unter Denkmalschutz gestellt, eine große Immobilienfirma erwarb es, um es zu erhalten. Das Innere aber veränderte sich. Der alte Hängeboden wurde zur Dachgeschosswohnung. Hier oben lebt Andreas Grothusen, freut sich an einer Sonnenterrasse, auf der Wein, Tomaten und ein Apfelbäumchen wachsen. Freut sich am Blick über die Stadt.
„Heimat, das sind für mich das Haus und der Berg“, sagt er. Er hat sich daran gewöhnen müssen, dass unten in der Villa, wo es einst vom Flur ins große Wohnzimmer mit dem Garten ging, eine Wand gezogen wurde, dass aus großen Räumen kleine Mietwohnungen wurden. Dass die Villa im Inneren eigentlich wie ein normales Mietshaus aussieht. Beim Gang durchs Treppenhaus löst die Erinnerung schon mal Phantomschmerzen aus. Die Leute im Haus wissen um Grothusens Einsatz für das Gebäude. Er ist der Letzte der Familie, der hier noch wohnt.
Er will, er kann von hier nicht fort. Unten, „im Dorf“, im Schlossparktheater, hat er einst gespielt. Sein Vater Max, von dem er das Schauspieltalent erbte, hätte es gern dort gezeigt, es blieb ihm versagt, er war am Schillertheater engagiert.
Dieser Fichtenberg, dieses Haus, ist Andreas Grothusens Welt, in die es ihn zurückzieht, die ihn immer wieder aufnahm, wenn es ihn beispielsweise in die TV-Serie „Liebling Kreuzberg“ verschlagen hatte, ins „Cabaret“ nach Hamburg, ins Kleine Theater am Südwestkorso, nach fast 500 Auftritten in „Das Küssen macht so gut wie kein Geräusch“.
Aber der Kampf um eine, um seine Villa – das ist die wirkliche Rolle seines Lebens. Christian van Lessen
Christian van Lessen