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Berlin: Die Fernsehmutter der Nation verlässt Berlin

Das Umzugsunternehmen ist bestellt, die Möbelwagen rollen Ende September an. Inge Meysel wird ihre Wohnung in der Schöneberger Heylstraße 29 aufgeben.

Das Umzugsunternehmen ist bestellt, die Möbelwagen rollen Ende September an. Inge Meysel wird ihre Wohnung in der Schöneberger Heylstraße 29 aufgeben. 49 Jahre wohnte sie in diesem Haus, das zuerst von ihren Eltern bezogen worden war. Jetzt soll die Miete steigen, was Inge Meysel jedoch nicht einsieht. Und deshalb zieht sie die Konsequenzen und sich in ihr Haus in Seevetal, südlich von Hamburg, zurück. Dieses liebe sie genauso wie ihre Berliner Wohnung, erklärte sie in Interviews immer wieder, weshalb ihr Herz geteilt sei.

In Berlin wurde sie 1910 geboren. Nach dem Abitur nahm sie Schauspielunterricht in der Schauspielschule von Ilka Grüning und Lucie Höflich, im Dritten Reich wurde sie mit einem Auftrittverbot belegt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam ihre Karriere schnell wieder in Fahrt, vor allem an Hamburger Theatern.

Seitdem ist sie "Berlinerin mit Hamburger Wohnsitz". Immer wieder spielte sie aber auch an Berliner Theatern, unter anderem in den deutschen Erstaufführungen von Priestleys "Seit Adam und Eva" und Tennesee Williams "Tätowierter Rose".

Friedrich Luft sah in ihr eine "Mischung aus Kratzbürste und Goldherz". 1959/60 trat sie auf der Bühne und im Fernsehen als Portiersfrau in dem Curt-Flatow-Stück "Das Fenster zum Flur" auf und spielte es über 200 Mal. Dieses Stück, aber vor allem die Fernseh-Serie "Die Unverbesserlichen" begründete ihren Ruf als "Fernsehmutter der Nation".

Seit 1965 steht für sie die Fernseharbeit im Mittelpunkt, so ist es bis heute geblieben. Als Londoner Putzfrau Ada Harris drehte sie eine Reihe für die ARD und spielt aktuell in den "Heimatgeschichten" mit. In mehr als 100 Produktionen versuchte sie, Klischees aufzubrechen. Zum Beispiel in der Krimi-Reihe "Polizeiruf 110", wo sie eine Mörderin gab. Eine ihrer jüngsten Produktionen ist der Fernseh-Film "Das vergessene Leben", den sie unter der Regie von Claudia Preitzel 1998 für den deutsch-französischen Kulturkanal "Arte" fertigstellte.

Die Ernst-Reuter-Plakette der Stadt Berlin hatte sie 1991 aus den Händen des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen entgegengenommen, das Bundesverdienstkreuz jedoch zehn Jahre zuvor abgelehnt und fragte: "Einen Orden dafür, dass man sein Leben anständig gelebt hat?" Im Februar zeichnete sie die Fernsehzeitschrift "Hörzu" während einer Gala im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt mit einer Goldenen Kamera als Ehrenpreis für ihr Lebenswerk aus. Für unkonventionelle Frauen macht sie sich immer wieder stark. So förderte sie das Studium der PDS-Vizechefin Angela Marquardt monatlich mit 1000 Mark.

In dem vierstöckigen Schöneberger Haus renovieren Handwerker gerade den Flur. Die Stuckdecke wird frisch gestrichen. Das große hölzerne Namensschild mit dem Schriftzug "I. Meysel" werden sie vermutlich schon bald abschrauben. Für ihre Möbel ist indes in ihrer Hamburger Wohnung nicht genügend Platz. Deshalb bedenkt sie Berliner Freunde damit. So freut sich Star-Friseur Udo Walz über einen Schreibtisch und eine Kommode, die er demnächst in seinen vier Wänden aufstellen wird. Auch ein Bild will ihm Inge Meysel vermachen. Was darauf zu sehen ist, will er jedoch nicht verraten. Nur soviel: "Es ist sehr schön."

oew

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