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Berlin: Die kleine Kneipe am Rande der Strafe

Im Berliner Fußball-Café in Lichtenberg treffen sich Rocker, Neonazis und gewaltbereite Hooligans. Sie sind Fans des BFC Dynamo – und stehen unter Beobachtung der Polizei

An der Kreuzung steht ein schwarzer BMW aus der 7er-Reihe, auf der Heckscheibe klebt fett ein Schriftzug der Klamottenmarke „Hooligan-Streetwear“. Das Auto parkt vor dem „Berliner Fußball-Café“. Willkommen in Berlin-Lichtenberg.

Die Berliner Polizei hat die Kneipe kürzlich gleich zwei Mal durchsucht. Das erste Mal, als dort der „Tag der Germanen“ stattfand. Das zweite Mal, weil ein Hakenkreuz im Schaufenster zu sehen war. „Wir haben eine interessante Gruppierung angetroffen“, sagt der leitende Polizei-Oberrat Michael Hauer. In der Kneipe saßen Mitglieder der „Hell’s Angels“, Rechte, Rocker und Hooligans. Dass diese Problem-Gruppen so „plakativ“ zusammen auftreten, sei früher schon mal vorgekommen, jetzt aber neu, sagt Hauer. Bei der ersten Durchsuchung des „Berliner Fußball-Cafés“ stürmte die Polizei den Laden mit 130 Beamten, 36 Personen wurden überprüft, mindestens drei Männer sind Mitglieder der Neonazi-Truppe „Vandalen“. Wahrscheinlich sogar fünf. Was ist das für eine Kneipe?

Alfred-Jung-, Ecke Scheffelstraße, 22 Uhr. Es nieselt. „Berliner Fußball-Café“ steht in altdeutschen Buchstaben über der Tür. „No Nazis!“ wurde in roter Farbe an die Hauswand gesprüht, am 15. September war das, als Vermummte die Eingangstür mit Pflastersteinen einwarfen. Die Tür ist wieder in Ordnung.

„N’abend“. Kein Zucken der Männer, sie reden weiter. Unter der Decke hängt ein Fernseher, auf „TVB“ läuft eine Immobiliensendung. Lieder aus den Achtzigerjahren dudeln im Hintergrund. Rick Astley. „Ein Bier?“, fragt die Bedienung. Die junge Frau trägt Jeans, Basecap, einen „Lonsdale“-Pullover. Die Marke ist in der Szene der Rechten beliebt. Wenn man eine Jacke darüber trägt, diese offen lässt, sind vom Schriftzug meist nur die Buchstaben „NSDA“ zu sehen. Den letzten Buchstaben darf sich jeder denken.

Ein Bier also. Der halbe Liter Berliner Pilsner kostet zwei Euro. Die Frau ist freundlich, sie lächelt. An den Wänden hängen Wimpel des BFC Dynamo, Fahnen, Schals, Aufnäher, neben dem Tresen stehen Pokale. Der BFC Dynamo war vor der Wende der Stasi-Klub, danach der Verein für Nazis und Hooligans. Europaweit gilt die Szene nach wie vor zu den härtesten und vor allem: als gut organisiert. In Berlin sind exakt 265 Fußballfans in der „Kategorie C“ eingestuft. In dieser internen Liste der Berliner Polizei werden Fans registriert, die nicht nur unter Alkoholeinfluss, sondern gezielt bei Fußballspielen gewaltbereit sind. Der Trend ist rückläufig. Aber von diesen exakt 265 Leuten werden intern 150 dem BFC zugeordnet. Namentlich.

Die Polizei ist noch immer etwas überrascht über die letzten Tage. Die BFC-Fans sind in den vergangenen Monaten gar nicht mehr aufgefallen, in der vergangenen Saison gab es 28 Strafverfahren. Keines wegen des Paragraphen 86a, also nichts, das mit dem Tragen von Nazi-Symbolen zu tun hat. „Das ist kein Nazitreffpunkt“, betont Polizei-Oberrat Hauer. Sehr wohl aber kämen die Gäste aus dem „Gewalttäter-Milieu“. Ob sie „aktiv“ sind, sei eine andere Frage. Die Leute sind bekannt, auch die Eigentümer André S. und Rayk B. Sie sollen ranghohe Mitglieder der Rockergruppe „Hell’s Angels“ sein. Die Polizei bestätigt das offiziell nicht, intern ist das bekannt. André S. war zudem früher Rädelsführer beim BFC Dynamo. Nazis seien sie nicht, sagt die Polizei. „Sehr konservativ“ schon, und vor allem treten sie „provozierend“ auf.

Beim BFC Dynamo hätten die beiden nicht mehr viel zu sagen, deren Zeit ist vorbei, sagen Szenekenner. Die jetzige Szene treffe sich woanders. Vielen gehe es mehr um Fußball, als um die „dritte Halbzeit“. Und die, die es nicht sein lassen wollen, verabreden sich mit anderen Schlägern lieber in Ruhe vor der Stadt. „Die Wiesenjungs“ werden sie genannt. Selbst wenn es so ist, eines bleibt: „BFC“, die Abkürzung des Berliner Fußball-Cafés. Sehr zum Ärger der Dynamo-Fans, weil sich die Stadionklientel nicht immer mit der aus der Kneipe deckt. Neulich erst habe man den stadtbekannten Neonazi Oliver S. aus dem Stadion „gebeten“, der ist Mitglied der „Nationalen Alternative“ (NA).

Am Tresen der Kneipe jedenfalls hängen Zeitungsartikel. Wie Auszeichnungen. „Razzia im Nazi-Treffpunkt!“ steht da. Der Gang zu den Toiletten befindet sich neben dem Tresen, er ist schwach beleuchtet, die Wände schwarz, am Ende liegt etwas unscheinbar ein Tattoo-Studio. „Ost-Sektor“. Der Laden wurde durchsucht, weil im Schaufenster an der Straße auf einem Foto ein „Hakenkreuz“ zu sehen war. Und drinnen haben die Beamten auch noch gleich Stuhlbeine gefunden, die zu einem Hakenkreuz geformt waren. Den Laden gibt es seit Februar. „Ich will das nicht kommentieren“, wird der Inhaber des Cafés, André S., am nächsten Tag sagen. „Ich habe einen Anwalt eingeschaltet.“ Als wir den Laden verlassen, beachtet uns keiner der Gäste. Zwei Männer stehen am Flipperautomaten. Version: Terminator.

Einen Tag später. Das Telefon klingelt, Michael T. ist dran, der Besitzer des Tattoo-Studios. Seine Stimme ist freundlich, aber unsicher. „Sie schreiben was über die Vorfälle?“ Er ist nett, wirkt aber unsicher. Was er sagt, will die Polizei später nicht kommentieren. Die Ermittlungen laufen, heißt es. Bei dem im Schaufenster gefunden Hakenkreuz handele es sich um einen „Vorher-nachher-Vergleich“, erzählt Michael T. Er habe die „Jugendsünde“ eines Mannes „übertätowiert“, damit das Hakenkreuz nicht mehr zu sehen sei. Das habe er im Schaufenster gezeigt. „Das sollte Werbung sein, damit man mit so was nicht ein Leben lang rumlaufen muss“, sagt der 32-Jährige. „Vielleicht war das naiv.“ Und das zu einem Hakenkreuz geformte Stuhlbein? „Ein stinknormaler Kleiderständer“, sagt er. Empört ist er über die Anschuldigungen nicht, er will nur „zu Wort kommen“, denn: „Werbung ist das alles nicht, oder?“

Die Polizei wird den Laden weiter beobachten. Und wenn die Klientel ausweicht, ist es doch leicht zu finden. Am „Lindencenter“ in Köpenick hat André S. eine neue Kneipe aufgemacht, sie heißt „Germanenhof“. Das klingt merkwürdig, soll aber nichts mit Fußball, Rockern und Rechten zu tun haben, heißt es bei der Polizei. Verstecken kann sich die Szene nicht, daran ist sie selbst Schuld. Der dicke BMW, der da neben all den schweren, langen Autos vor dem „Berliner Fußball-Café“ steht, hat noch einen Aufkleber auf der Heckscheibe. Unter „Hooligan-Streetwear“ steht: „Kategorie C“. Schönen Abend noch.

André Görke

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