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SONNTAGS um zehn: Die letzte Konfirmandin

Erinnerungen an eine Einsegnung vor 50 Jahren

Es kommt nicht mehr häufig vor, dass in der Martin-Luther-Gedächtniskirche in Mariendorf Gottesdienst gefeiert wird. Die denkmalgeschützte Kirche, die vor allem wegen ihrer aus den 1930er Jahren stammenden NS-Symbolik bekannt ist, ist baufällig und wird gerade saniert. Die Gemeinde trifft sich hier nur noch zu besonderen Festtagen – wie am gestrigen Sonntag zur Goldenen Konfirmation.

Mehr als 100 Konfirmanden hatte die Gemeinde damals vor 50 Jahren, schätzt Pfarrer Thomas Pretki. Viele sind weggezogen, einige verstorben. Manch einer wohl hat kein Interesse mehr an der Kirche. Schließlich ist nur Gisela Anders, die damals noch Kunert hieß, gekommen. Zur Feier hat die 65-Jährige ein Album mit alten Fotos mitgebracht: Bilder, die die junge Frau in schwarzem Kleid und mit Blumenstrauß vor der Kirche zeigen. Bilder, auf denen die Familie an einer Kaffeetafel in ihrer Wohnstube sitzt.

Gisela Anders wurde 1946 geboren. Die Nazi-Symbole in der Kirche – der SA-Mann auf dem Kanzelrelief oder die Soldatenköpfe auf den Reliefplatten – seien im Konfirmandenunterricht nicht thematisiert worden, erinnert sie sich. „Da hat man nicht drüber gesprochen“, bestätigt auch Gabriela Graf aus dem Gemeindekirchenrat. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Hakenkreuze entfernt worden, über die Geschichte wurde der Mantel des Schweigens gedeckt. Erst seit etwa zehn Jahren, meint Graf, werde die Vergangenheit intensiv aufgearbeitet.

„Wir sind nicht begeistert über die Architektur, sondern sehen in der Kirche ein Denkmal, das erhalten werden sollte“, sagt Pfarrer Pretki. Zusammen mit der Stadtentwicklungsgesellschaft Stattbau erprobt die Gemeinde neue Nutzungsmöglichkeiten. Zurzeit ist die Ausstellung „Mariendorfer Kinder und Jugendliche in der NS-Zeit“ zu sehen. Regelmäßig gibt es Konzerte. Etwa zehnmal im Jahr findet noch Gottesdienst statt. Die Kirche soll so zum Veranstaltungsort für Kultur und Bildung werden. Barbara Schneider

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