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Berlin: Die S-Bahn verprellt ihre Kunden

Wieder gab es Verspätungen und Durcheinander – Ursache war nicht nur das Wetter. Viele Fahrgäste ärgerten sich über schlechte Beratung

Auch am Montagmorgen wirkte das S-Bahn-Chaos vom Wochenende nach. Wie gut die Fahrgäste an ihr Ziel kamen, hing dabei oft vom Zufall ab. An vielen Stationen wurden die Kunden gar nicht, unverständlich oder falsch über Ausfälle und Verspätungen informiert. An anderen Bahnhöfen dagegen kümmerten sich Mitarbeiter von sich aus um ratlos herumstehende Fahrgäste oder halfen mit gut verständlichen Lautsprecherdurchsagen samt Fahrtipps. Ab heute, so S-Bahn-Sprecher Ingo Priegnitz, sollen die Züge wieder ganz normal fahren.

Zu den Nachwehen des Computer-Absturzes am Sonnabend kam gestern der Neuschnee, der ebenfalls Verspätungen verursachte. Immerhin steht laut Bahnsprecher Burkhard Ahlert nach zweitägiger Suche fest, welches Bauteil das Bahn-Chaos verursacht hatte. Es sollte in der Nacht auf Dienstag ausgetauscht werden, wenn der Verkehr weitgehend ruht. Warum diese sensible Stelle nicht doppelt ausgelegt war, konnte Ahlert gestern nicht sagen.

Allerdings sind für die S-Bahn die Probleme noch nicht gelöst. Denn weil das Steuerungselement für die Stromversorgung im elektronischen Stellwerk in Westkreuz ganz kurz ausgefallen war, hat die Software Schaden genommen – ähnlich wie beim heimischen Computer, wo ein kurzer Stromausfall erheblichen Schaden anrichten kann. Bei der S-Bahn musste darum ein Mitarbeiter ran, den das neue System eigentlich überflüssig machen sollte. In der Bornholmer Straße war gestern wieder ein Fahrdienstleiter im Einsatz. Weil dieser nicht so schnell ist wie der Computer, wurden mehrere Linien verkürzt.

Auf dem Ring gab es nur alle zehn Minuten einen Zug. Auch die S 8, die S 25 und die S 26 fielen in der nördlichen Innenstadt aus. Als Begründung lieferten die Aufsichten auf den Stationen Erklärungen von „Weichenstörung“ über „Bauarbeiten“ bis zu den tatsächlich vorhandenen „Stellwerksproblemen“. Deutlich wurde auch für Außenstehende, dass es innerhalb der S-Bahn Kommunikationsprobleme zwischen der Betriebsleitung und den einzelnen Aufsichten gibt.

Oft ist das Personal am Bahnhof kaum informiert: Am Nordbahnhof begründete eine Mitarbeiterin den Ausfall der S 26 mit Bauarbeiten, die aber laut S-Bahn-eigenem Faltblatt nur nachts stattfinden. An anderen Stationen wurde gar nicht darauf hingewiesen, dass Züge nicht fahren. Am Bahnhof Bornholmer Straße dagegen klappten die Durchsagen – ein schwacher Trost für die vielen Fahrgäste, die entnervt ihre Verspätungen telefonisch weitergeben mussten.

Wer direkt nachfragt, bekommt bisweilen abenteuerliche Tipps. Für eine Fahrt von Humboldthain nach Adlershof wurde die ganze große Runde über Bornholmer Straße, Westkreuz und Neukölln empfohlen. Dass der Betrieb auch auf dem Nordring gestört war, wusste die Aufsicht ebenso wenig wie dass die Fahrt über Papestraße, Schöneberg oder Friedrichstraße deutlich schneller geht als die große Ring-Tour.

S-Bahn-Sprecher Ingo Priegnitz kündigte an, dass die Mitarbeiter besser geschult werden sollen. Wann die Stationen mit der Leitstelle vernetzt werden, stehe dagegen noch nicht fest. Irgendwann sollen alle Aufsichten alle aktuellen Betriebsstörungen auf einem Bildschirm sehen und mit diesem Wissen ihren Fahrgästen helfen können. Beim Sprechtag für Fahrgäste im Herbst hatte S-Bahn-Geschäftsführer Günther Ruppert die schlechten Informationswege innerhalb des Unternehmens als eines der größten Probleme bezeichnet. Das zeigte sich auch am Montag.

Jörg-Peter Rau

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