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Berlin: Die Stärke der Sozialdemokraten hielt die CDU 1963 von einer Fortsetzung der Großen Koalition ab - ein Rückblick

Wie sich die Bilder gleichen, und wie verschieden sie doch sind! Auf 28,8 Prozent war die Partei abgestürzt, und jetzt suchte sie den Weg in die Opposition.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wie sich die Bilder gleichen, und wie verschieden sie doch sind! Auf 28,8 Prozent war die Partei abgestürzt, und jetzt suchte sie den Weg in die Opposition. Nicht die SPD, sondern die CDU. Man schrieb das Jahr 1963. Zwei Jahre nach dem Mauerbau hatte die SPD unter Willy Brandt das - bis heute - beste Wahlergebnis in der Nachkriegsgeschichte Berlins errungen: 61,9 Prozent der Wählerstimmen.

Nach diesem Wahldesaster ging es für die CDU, die 18 Jahre Große Koalition mit der SPD hinter sich gebracht hatte, so nicht weiter. Die Sozialdemokraten hatten den Wahlkampf mit modernen, amerikanischen Methoden geführt und auf die Person des Spitzenkandidaten zugespitzt, der neue Wählerschichten erobern konnte. Also schrieb Franz Amrehn den CDU-Mitgliedern einen Brief, um den Koalitionsbruch zu begründen. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse zwischen CDU und SPD sei eine "echte Partnerschaft" (auf gleicher Augenhöhe?) in einem Regierungsbündnis unwahrscheinlich. Die Union könne "in der Opposition einen stärkeren politischen Einfluss geltend machen als in der Koalition." Angesichts der neuen Lage schaltete auch Willy Brandt um, denn ihm stand - anders als der CDU heute - ein anderer Partner für die Senatsbildung zur Verfügung, wenn er schon nicht allein regieren wollte: die FDP. Eine sozialliberale Koalition wurde aus der Taufe gehoben. Drei Wochen nach der Abgeordnetenhauswahl, am 11. März 1963, war die neue Regierung gewählt. Eine Woche später gab Brandt die Regierungserklärung ab, und er ging höflich mit der neuen Oppositionspartei um. Die Entscheidung, die politische Zusammensetzung des Senats zu verändern, habe zuerst bei der CDU gelegen. "Ich respektiere die Entscheidung des Landesverbandes und der Fraktion der CDU, unserer Stadt durch ihre Oppositionsstellung in diesem Hause zu dienen", sagte der Regierende Bürgermeister.

Es wurde sogar vereinbart, einen "Ständigen Ausschuss" zu gründen, eine Art "Runden Tisch", wo Regierungs- und Oppositionsparteien sich zusammenfanden, um über alle Fragen "freimütig und offen zu sprechen, die die Existenz unserer Stadt berühren". Freimütig erläuterte auch Franz Amrehn am 25. März, in der Parlamentsdebatte zur Regierungserklärung, warum die CDU in die Opposition gegangen war. "Die CDU hat aus dem Wahlergebnis die für sie einzig mögliche Konsequenz gezogen, in die Opposition zu gehen. Gegenüber der machtvollen Stellung der SPD werden wir künftig ein parlamentarisches Gegengewicht bilden, das einen stärkeren Einfluss auf den Gang der Politik verspricht als innerhalb der Koalition."

Ohne Rücksicht auf das Korsett der Regierungspflichten sei die Union "freier im Tadel, offener in der Mahnung und Warnung, entschiedener in ihren Ideen und Anträgen", meinte Amrehn. Die Union wollte sich in der Opposition profilieren und regenerieren. Die Rechnung ging auf. Allerdings dauerte es 18 Jahre, bis die Christdemokraten - mit Richard von Weizsäcker an der Spitze - mehrheits- und regierungsfähig wurden.

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