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Fahr'n, fahr'n, fahr'n. Die Zweirad-Verleiher erwarten in dieser Saison noch mehr Zuwachs.

© imago images/Westend61

E-Sharing-Branche wächst: Neuer Roller-Anbieter in Berlin auf dem Markt

Der E-Rollerverleih Rollich geht mit 170 Fahrzeugen an den Start. Insgesamt haben Zweiradverleiher starken Zuwachs. Was verändert sich gerade?

Pünktlich zum Frühlingsanfang erhält der hart umkämpfte Sharing- Markt in Berlin einen neuen Wettbewerber. Seit Anfang März vermietet das Unternehmen Rollich Elektroroller auf monatlicher Basis.

Im Gegensatz zu den meisten Sharing-Anbietern erhalten die Kund:innen jeweils einen Roller, den sie über den gesamten Mietzeitraum behalten. „Roller sind für die Stadt ein super Verkehrsmittel. Sie sind schnell, elektrisch, brauchen keinen Parkplatz und sind emissionsfrei“, sagt Felix Schaar, Gründer und Inhaber von Rollich.

Bisher mussten Interessent:innen entweder einen Roller kaufen oder konnten ihn nur minutenweise mieten. „Für mich hat einfach dieses Modell gefehlt für Leute, die einen Roller haben wollen als sei es ihr eigener.

Sie können damit so viel fahren wie sie möchten, ohne sich um Reparaturen und Versicherungen zu kümmern. Und wegen unserer einmonatigen Kündigungsfrist müssen sie sich nicht langfristig binden“, sagt Schaar.

Der ehemalige McKinsey-Berater hat bereits im Frühsommer vergangenen Jahres das Berliner Unternehmen gegründet.

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Er begann erst einmal testweise die ersten Roller zu vermieten, um sowohl die Nachfrage also auch die „operativen Anforderungen“, wie es in der Gründerszene heißt, zu erforschen. „Ich habe das Unternehmen ohne große Wagniskapitalgeber gegründet.

Insofern ist es mir wichtig, es nachhaltig aufzubauen“, sagt Schaar. Aktuell umfasst die Flotte 170 Roller, geplant sind aber noch mehr als hundert weitere für diese Saison.

Neu auf dem Berliner Markt. Das Start-up Rollich ist mit seinem Leasing-Konzept für E-Roller seit März, pünktlich zur Frühlingssaison, am Start.
Neu auf dem Berliner Markt. Das Start-up Rollich ist mit seinem Leasing-Konzept für E-Roller seit März, pünktlich zur Frühlingssaison, am Start.

© Rollich

Von der Corona-Pandemie habe sich Schaar bei der Gründung nicht einschüchtern lassen. Zwar kam es zu Problemen bei den Logistikströmen, was das Roller- Angebot, zusätzlich zur Nachfrage, zu einem Unsicherheitsfaktor gemacht habe.

„Aber es hat auch ganz gut gepasst. Gleichzeitig zur verringerten Mobilität haben viele Leute nach alternativen Mobilitätsformen gesucht“, beschreibt Schaar.

Weg vom Auto: Schaar will attraktive Alternativen schaffen

Er meint, viele nutzen das Angebot aufgrund des Services und der damit verbundenen „Sorglosigkeit“. Schaars Ziel jedoch sei es, zusammen mit anderen Anbietern so attraktive Alternativen zu schaffen, dass das eigene Auto obsolet wird:

„Wir können und sollten eine Verkehrswende nicht nur durch Verbote erreichen, sondern durch ein Ökosystem aus Alternativen“, meint Schaar. „Ich halte ein eigenes Auto für jeden gesellschaftlich nicht für vernünftig.“

Auch für bereits etablierte Unternehmen aus der Branche war das Jahr 2020 ein turbulentes. „Für uns war es sehr gemischt,“ sagt Florian Anders, Sprecher des Sharing Anbieters Tier.

„Mit den Lockdowns und dem harten Winter ging die Mobilität stark zurück, im Sommer mit dem schönen Wetter hatte sie sich wieder gut erholt.“

"Tier" will ein flächendeckendes Netz von Ladestationen

Bei Tier können sich Nutzer:innen einen E-Scooter oder E-Roller spontan buchen und diese minutenweise oder mit einer Flat nutzen.

Im Gegensatz zu Rollich sucht man sich bei jeder Fahrt ein neues Gefährt und teilt es, wie bei Sharing Anbietern üblich, mit anderen. In Berlin bietet Tier ungefähr 6000 Scooter und 2000 Mopeds an.

Für dieses Jahr gebe es, so erzählt Anders, große Pläne für das Unternehmen. Tier will in Berlin ein flächendeckendes Netz von Ladestationen aufziehen, das Tier Energy Network. Nutzer:innen sollen künftig die Batterien ihrer E-Scooter selbst an bestimmten Ladestationen austauschen können. Diese Punkte befinden sich in Cafés und Geschäften, die mit Tier kooperieren.

Berliner in Außenbezirken leihen vermehrt Fahrzeuge aus

„Wir sparen uns als Anbieter den Weg für den Austausch; der Kunde oder die Kundin erhält dafür Freiminuten und die Geschäfte erhöhen ihre Kundenanzahl“, sagt Anders. Ein Pilotprojekt in Finnland habe den Erfolg des Konzepts bestätigt. In Deutschland hat Tier das Netzwerk in Münster bereits aufgebaut, Berlin soll in den nächsten zwei Monaten folgen. „Die Idee ist komplett von uns selbst entwickelt worden. Damit sind wir weltweit die Ersten und Einzigen“, sagt Anders.

Das Unternehmen Tier will 2021 europaweit 4500 Ladestationen schaffen, um so eine „grüne Verkehrsrevolution“ voranzutreiben.

Der Sharing-Anbieter Lime hatte im vergangenen Jahr vor allem eine Verschiebung des Kundenstamms festgestellt. In Berlin leihen Nutzer:innen weniger im Stadtzentrum und vermehrt in den äußeren Bezirken Fahrzeuge aus. Ebenso wurden längere und weitere Strecken vermerkt. Das deutet auf eine weniger touristische Aktivität hin, und zugleich einen zunehmenden alltäglichen Gebrauch.

"Lime", "Tier" und sieben weitere Anbieter bilden Mobilitätsplattform

Am deutlichsten zeigt sich jedoch der Mobilitätseffekt bei der neuen Radinfrastruktur, wie zum Beispiel den Pop-up Radwegen. Hier sei der Anteil von Nutzer:innen um 101 Prozent gestiegen, an Strecken ohne diese neue Infrastruktur lediglich um 27 Prozent, hat der Lime-Jahresabschlussreport ergeben. Um unter anderem zu zeigen, wie wichtig solche Infrastrukturen seien, hat Lime sich mit Tier und sieben weiteren Anbietern zu einer Interessensgemeinschaft zusammengeschlossen.

Seit Mitte Januar treten sie unter dem Namen „Plattform Shared Mobility“ (PSM) gemeinsam für einen Mobilitätswandel ein: Weg vom eigenen Auto, hin zu mehr Klimaschutz und höherer Lebensqualität, ist ihr Motto.

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Seit 2017 fördert der Berliner Senat bereits einen Anbieter der sogenannten Mikromobilität. Nextbike wird mit seinen 5000 Fahrrädern in Berlin wie ein öffentliches Verkehrsmittel gehandhabt und kooperiert auch mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG). Neben den Einbußen, die Wetter und Lockdown bedingt gewesen seien, habe das Unternehmen im Sommer seine verleihstärksten Monate überhaupt erfahren.

„Man merkt einfach, die Leute wollen raus und sich bewegen“, sagt Mareike Rauchhaus, Sprecherin von Nextbike. Zudem verzeichneten sie ungefähr 40 Prozent mehr Neuregistrierungen als im Vorjahr.

„Viele Menschen nutzen unsere Räder, die Bike-Sharing zuvor nicht kannten, und fahren jetzt zum Beispiel zum Tempelhofer Feld. Ohne Corona wären sie wahrscheinlich im Februar niemals auf ein Rad gestiegen,“ vermutet Rauchhaus.

Das Tempelhofer Feld sei sogar die am meist frequentierte Station im bisherigen Lockdown-Jahr.

Mehr Männer als Frauen leihen sich bisher Räder aus

Für den Sommer 2021 erwartet Rauchhaus wieder eine immens höhere Nachfrage. Nextbike plant daher, sein Netz zu verdichten indem es mehr Ausleihstationen schaffen und mehr Leute ansprechen wolle.

„In allen Städten ist die Verteilung gleich. Mehr Männer als Frauen leihen sich Räder aus“, sagt Rauchhaus. „Wir müssen das Thema Female Mobility besser erforschen und überlegen gerade, wie wir nochmal explizit Frauen ansprechen. Am Ende müssen wir ja alle zusammen gegen die Klimakrise strampeln.“

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