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Auf Deutsch gesagt: Ein Bauer ist nicht zu beugen

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Alle Menschen sind sterblich. Oder etwa nicht? Neulich las ich irgendwo die Warnung: „Viel Bauchfett erhöht das Sterblichkeitsrisiko.“ Na, na! Dann müssten ja Menschen ohne „Rettungsring“ oder „Mollenfriedhof“ die Chance haben, unsterblich zu sein. Zum Totlachen. Natürlich weiß jeder, dass Übergewicht vom Übel ist, ein Gesundheitsrisiko, aber kein Sterblichkeitsrisiko.

Immer diese Missverständnisse durch die falsche Wortwahl, und manche sind wirklich urkomisch. So haben die Grünen den Senat aufgefordert, „zur Korruptionsbekämpfung in der Berliner Verwaltung eine externe VertrauensanwältIn einzusetzen“. Das große I ist nicht etwa ein Druckfehler, denn das seltsame Wort „VertrauensanwältIn“ wird in dem Antrag gleich mehrfach erwähnt. Zum Beispiel heißt es erläuternd: „Aufgabe dieser VertrauensanwältIn soll es sein, vertrauliche Mitteilungen von Beschäftigten und Dritten entgegen zu nehmen und an die zuständigen Verwaltungsstellen weiter zu leiten.“

Hier wird nicht nur die Gleichstellung übertrieben, sondern auch die Getrenntschreibung. Keine Angst vor der Zusammenschreibung: Es sind Mitteilungen entgegenzunehmen und weiterzuleiten. Doch zurück zu dieser irritierenden „ZwitterIn“. Falls ein Anwalt oder eine Anwältin gemeint ist, eignen sie sich für die Kurzform jedenfalls nicht im Singular, denn die Anwältin ist ja keine Anwaltin. Soll es unbedingt eine Frau sein, ist das große I genauso unsinnig. Abgesehen davon ist die korrekte Sparschreibung kompliziert und auch im Plural nicht in jedem Fall möglich. Anwält(inn)en gibt es nur im Genitiv und Dativ, Lehrer(innen) oder Lehrer/-innen dagegen in allen vier Fällen. Bauer und Bäuerin etwa lassen sich überhaupt nicht in die Kurzform zwängen, weil der Bauer nicht zu beugen ist und die Bäuerin keine Bauerin ist.

Neuerdings ist in der Politik viel von Homophobie die Rede, also verbalen oder gar tätlichen Angriffen auf Homosexuelle. Auf eine diesbezügliche Anfrage des Abgeordneten Sascha Steuer (CDU) bemerkte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, „dass es homosexuelle Menschen besonders schwierig haben“. Das klingt nicht komisch, sondern lächerlich. Ja, schwer mögen sie es haben, schwierig niemals.

Schwer ist ein Gewicht, eine Last, schwierig sind Situationen. Viele leisten schwere Arbeit, manche laden schwere Schuld auf sich. Mit schwierigen Menschen ist schwer auszukommen. Wer ein schweres Amt hat, muss oft schwierige Verhandlungen führen. Wir kennen alle Schwierigkeiten, aber keine Schwerheiten. Ach, es lebe der feine Unterschied.

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