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Schauplatz BERLIN (Rätsel 13): Ein Baum für die Ewigkeit

Fast an jeder Ecke in Berlin hängt eine Gedenktafel, 2820 sind es insgesamt. Der Tagesspiegel bietet jede Woche ein Gedenktafel-Rätsel. Sie, liebe Leserinnen und Leser, dürfen jeweils herausfinden, ob Sie den Ort, die Person beziehungsweise das Ereignis kennen. Rätseln Sie mit bei Folge 13!

Das urzeitliche Gewächs regt die Fantasie an. Aus seinen Blättern und Früchten werden Durchblutungsmittel gewonnen. Zuletzt ist ein Exemplar seiner unvorstellbar alten Spezies als Berliner Friedenssymbol gepflanzt worden. Vertreter einer diskriminierten Minderheit haben den Geheimnisumwitterten dazu bestimmt, auf ihre eigene Daseinsberechtigung zu verweisen. An der nordamerikanischen Ostküste erblickten Gläubige jüngst in einem kurzfristig hochgeschossenen Spross eine Heiligenerscheinung. Kaum zu glauben ist der historisch belegte Bericht, dass im August 1945 Exemplare dieser Pflanze die nukleare Strahlung von Hiroshima nahe dem Explosionszentrum aushielten – und trotz weitgehender Verkohlung neue Schösslinge trieben.

Die quadratmetergroße Gedenktafel für dieses außergewöhnliche Geschöpf wurde, anlässlich der Einwurzelung dreier Bäume dieser Art, an einem Marmorsockel befestigt und auf einen stark frequentierten Berliner Platz gestellt. Die drei Exoten hatte ein Berliner Landesvater seiner Stadt zum Abschied geschenkt. Ihre sagenhafte Aura hat mit Rarität allerdings seit geraumer Zeit nichts mehr zu tun. Mehr als anderthalb tausend gibt es mittlerweile davon in Berlin. Dabei kam die Spezies vor knapp 200 Jahren, als ein deutscher Dichter ihr in einem Schlossgarten erstmals ergriffen gegenüberstand, europaweit kaum noch vor. Die Faszination ihrer vorzeitlichen Herkunft und das Flair ihrer Überlebensbotschaft hat Forscher, Gartenfreunde und Esoteriker zur erfolgreichen Nachzüchtung animiert.

Zu finden ist die Tafel dieser drei archaischen Boten leicht, aber in ihrem chaotischen Umfeld kaum zu verstehen. Die einzigartigen Blätter der Sorte sind auf ihrer Bronzeplatte abgebildet, neben dem Aufruf, sich der Lobby für Bäume anzuschließen. Darüber stehen die Zeilen des ergriffenen Dichters, der sich botanisch angeregt fühlte, über Beziehung und multiple Identität zu philosophieren. Vor der Tafel: ein Bauzaun. Dahinter: Container. Überm Platz schweben silberne Entlüftungsrohre. Nahebei parken provisorisch Verbrennungsmotoren mit Rädern. Eine Spezies, die schon so viel (s.o.) durchgestanden hat, wird selbst Berlins Stadtverschönerungspläne, Baustellen und Platzvermüllungs-Events anno 2013 überdauern, das dürfen wir hoffen. Thomas Lackmann

Wie heißen die Bäume? Wo findet man die Tafel? Auflösung am Mittwoch auf www.tagesspiegel.de

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