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Berlin: Ein beliebter Spandauer Kommunalpolitiker steht wegen des Angriffs auf seine Ex-Geliebte vor Gericht

Die Frau im Zeugenstand schluchzt so sehr, dass ihr die Schultern zittern. "Dass mir so etwas passieren musste", sagt sie und füllt den Gerichtssaal mühelos mit ihrer Stimme.

Die Frau im Zeugenstand schluchzt so sehr, dass ihr die Schultern zittern. "Dass mir so etwas passieren musste", sagt sie und füllt den Gerichtssaal mühelos mit ihrer Stimme. Ein paar Meter weiter auf der Anklagebank sitzt ein grauhaariger Mann, der sich vor lauter Scham am liebsten unsichtbar machen würde: Peter Sch., 54 Jahre alt, früher ein in Spandau beliebter Kommunalpolitiker, der sich als Bürgerdeputierter mit SPD-Parteibuch für Senioren stark machte und in den Ausschüssen der Bezirksverordnetenversammlung mitarbeitete. Doch Eifersucht und Alkohol brachten den Sozialdemokraten hinter Gitter. Er ist wegen versuchten Totschlags angeklagt.

Am 7. Mai 1999 hat er seine ehemalige Geliebte auf ihrer Arbeitsstelle in einem Spandauer Seniorenheim abgepasst und ihr ein Messer in den Bauch gerammt, weil sie partout nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Die frühere Geliebte sitzt im Zeugenstand und erzählt, was ihr zum 7. Mai einfällt, als ihr Ehemaliger mit einem Klappmesser in der Tasche bei ihrer Arbeitsstelle auftauchte. "Ich mache sauber im Seniorenheim", sagt das Opfer und schildert eine Szene wie aus einem Albtraum: "Er nahm mich in den Schwitzkasten und strich mir mit der Messerklinge über den Arm. Als ich dachte, jetzt hört er auf, stieß er zu." Die Frau mit der kräftigen Statur hatte Glück. "Meine Pfunde haben mich gerettet", sagt sie.

Doch auch ihre Körperkraft spielte eine Rolle. Nach dem Messerstich stieß sie den Angreifer so stark vors Brustbein, dass er gegen eine Wand prallte und dort "auf halb sieben hängenblieb". Die Verletzte empfand nach eigenen Worten zunächst keinen Schmerz und verließ schnell den Tatort. Sie wurde mit dem Rettungshubschrauber zur Notoperation ins Krankenhaus gebracht und konnte nach zwei Wochen in ihre Spandauer Wohnung zurückkehren.

Dort hatte sie vor der Tat schlimme Wochen erlebt. Weil sie die Eskapaden ihres Geliebten nicht mehr ertragen konnte, trennte sie sich von ihm. Peter Sch. akzeptierte die Trennung nicht, er betrank sich und sprach auf ihren Anrufbeantworter: "Geh ran, das ist sonst dein Todesurteil". Er zerstach die Reifen ihres Autos und sagte: "Jetzt sind es die Reifen. Als nächstes bist du dran." Dann wieder schlug seine Stimmung ins Rührselige um und er schwärmte "von seiner großen Liebe", tauchte beim Einkauf im Supermarkt auf und überreichte eine rote Rose. Oder er warf Liebesbriefe und Blumensträuße auf ihren Balkon. Doch die Adressatin fühlte sich nicht umworben, sondern bedrängt. Und sie ließ sich nichts vormachen. "Mit 48 lasse ich mir doch nicht erzählen, dass ich die große Liebe für ihn bin", sagte die Mutter zweier Kinder gestern.

Die Frage, ob sie ihm verzeihen kann, hat sie für sich abschließend mit "Nein" beantwortet. Denn sie hat noch immer Angst und ist in Behandlung "bei so einem Spezialisten für Macken aller Art". Dass sie Angst hat, könnte an einem Ausspruch ihres ehemaligen Liebsten liegen. "Wenn es nicht beim ersten Mal klappt, dann klappt es beim zweiten Mal. Dich kriegt kein Anderer", soll er gesagt haben. Die Frau im Zeugenstand glaubt, dass diese Worte ernst zu nehmen sind.

Michael Brunner

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