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Berlin: Ein Denkmal für Maria und Wassilij

„Wir erinnern uns daran, dass wir immer essen wollten. Einmal am Tag bekamen wir Essen, Brot bekamen wir zweimal in der Woche.

„Wir erinnern uns daran, dass wir immer essen wollten. Einmal am Tag bekamen wir Essen, Brot bekamen wir zweimal in der Woche.“ Dieser Text steht seit gestern an der rauen Wand des ehemaligen Fernmeldebunkers in der Pallasstraße. Die Erinnerung eines alten Ukrainers an die Zeit, in der er diesen Bunker bauen musste, ist Teil eines gestern eingeweihten Schöneberger Gedenkortes. Die Worte der ehemaligen Zwangsarbeiter unter Plexiglas, gepflasterte Wege, die zu der Bunkerwand führen, eine Reihe von Bäumchen und eine hundert Meter lange blaue Stahlskulptur bilden das bislang erste „Ostarbeiter“-Mahnmal Berlins.

Entworfen wurde der Gedenkort von Schülern der benachbarten Sophie-Scholl-Oberschule, in der die ukrainischen Zwangsarbeiter und ihre mit nach Berlin verschleppten Kinder untergebracht waren. Für die Passanten öffnen wollten die Schüler das Gelände um den geheimnisvollen Bunker, Fragen beantworten und an dem historischen Ort einen Platz zum Verweilen schaffen. „Wir wollen an diesem sozialen Brennpunkt einen Bogen zur Gegenwart schlagen“, sagte die 18-jährige Beatrix Olhagaray. Sie hat an einer Fotoinstallation mitgearbeitet, die neben dem Bunker gezeigt wird.

„Es ist etwas ganz Besonderes, dass die Schüler und Lehrer dieser Schule dem Schicksal unserer Familie so viel Aufmerksamkeit widmen“, sagte Tatjana Kucher. Die 34-jährige Ukrainerin war gestern stellvertretend für ihren Vater, Onkel, Tante und Großeltern gekommen, die alle von 1943 bis 1945 in dem Ostarbeiterlager auf dem Gelände der damaligen Augusta-Schule lebten. Mehrfach waren die Derewjankos, die zu sechst aus ihrem Dorf deportiert wurden, in Schöneberg, nachdem sie 1994 Kontakt zu „ihrer“ Schule aufgenommen hatten. Maria und Wassilij Derewjanko, die damals zwölf und sechs Jahre alt waren, erzählten den Schülern von den Lebens- und Arbeitsbedingungen im Lager und beim Bunkerbau. Einige der Zitate sind jetzt an der Bunkerwand dokumentiert. „Ich hörte von ihnen nie etwas Schlechtes über das deutsche Volk“, sagt die Nichte Tatjana. Ihre Großmutter habe gesagt: „Man muss einander verzeihen.“

Früher gediehen hinter dem Zaun zwischen Bunker und Pallasstraße nichts als Unkraut und eine kleine Müllhalde aus den Dingen, die über den Zaun geworfen wurden. Jetzt soll das Gelände zwischen den Pflasterstein-Wegen mit Efeu bewachsen und offen bleiben. Statt eines Zaunes gibt es die blaue Stahlskulptur, die in den nächsten Tagen fertig gestellt wird: Sie ragt am Schulgebäude Ecke Elßholzstraße einen Meter aus dem Boden und versinkt über hundert Meter allmählich im Boden. Diese Verbindung zwischen Schule und Bunker symbolisiert den Lagerzaun – und die Befreiung der Ukrainer im Mai 1945. Amory Burchard

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