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Berlin: Entlassene Mitarbeiter der Kirche ziehen vor Gericht

Die Stimmung im Erzbistum ist auf dem Tiefpunkt: Viele, die ihre Stelle verloren, klagen gegen die Kündigung. Neue Sparrunden stehen bevor

Der Finanzchef ist entlassen, es gibt keinen Haushaltsplan, aber eine Flut von Klagen vor dem Arbeitsgericht. „Die Stimmung im Erzbistum ist im Minusbereich“, sagt Andreas Jaster, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung der Katholischen Kirche in Berlin. Genauso beschreibt auch Jürgen P. (Name geändert) seine Gemütslage. Er ist 48 Jahre alt und Kirchenmusiker. Dass sein Arbeitsverhältnis mit der Katholischen Kirche vor Gericht enden würde, das sprengte noch vor einem Jahr sein Vorstellungsvermögen. Aber jetzt ist es soweit. Am heutigen Donnerstag beginnt sein Prozess. Vor zwei Monten wurde ihm gekündigt, er hofft, seine Stelle zurückzubekommen. Deshalb will er auch nicht, dass sein richtiger Name in der Zeitung steht. Seit 1977 spielte er in seiner Gemeinde Orgel und leitete mehrere Chöre. Er ist unkündbar, sagt sein Anwalt Thomas Stötzel, denn er ist länger als 15 Jahre beschäftigt. Eine Kündigung wäre dennoch erfolgreich, wenn die Einrichtung, in der er arbeitet, geschlossen würde. „Aber das trifft ja nicht zu, die Gemeinde existiert weiter“, sagt Stötzel.

Jürgen P. ist kein Einzelfall. Vergangenen September hat das Erzbistum begonnen, seine Schulden in Höhe von damals 148 Millionen Euro abzutragen. Seitdem wurden 150 Vollzeitstellen gestrichen, hinter denen sich rund 200 Mitarbeiter verbergen, wie die Mitarbeitervertretung schätzt. 70 sind bisher vor das Arbeitsgericht gezogen.

Darunter Küsterehepaare, die seit 30 Jahren angestellt waren und von einem Tag auf den anderen ohne Arbeitsstelle und ohne Küsterwohnung auf der Straße standen, Kirchenmusiker, Sekretärinnen, Verwaltungsfachleute. Die Mitarbeitervertretung hat mit dem Erzbistum zwar einen Sozialplan ausgearbeitet, der die Höhe von Abfindungen und Kriterien für die Sozialauswahl vorgibt. Aber der Sozialplan ist nur für die Bistumsverwaltung verpflichtend, nicht für die 207 Gemeinden. Denn er setzt voraus, dass es eine Mitarbeitervertretung gibt. „In den Gemeinden laufen die Kündigungen oft nicht sauber“, sagt Andreas Jaster.

Die Wut vieler gekündigter Kirchenmitarbeiter steigerte sich noch, als sie erfuhren, dass die Kirchenleitung vergangenes Jahr die 167 Beamten von den Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld ausgenommen hat. Wie es dazu kommen konnte, darüber gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Jaster vermutet, die Vorlagen für die Kürzungen bei den Beamten seien in Schreibtischschubladen vergessen worden. Bistumssprecher Stefan Förner sagt, die Verhandlungen mit der Tarifkommission hätten sich so lange hingezogen, dass es für Sonderverhandlungen wegen der Beamten zu spät gewesen sei. Fest steht: Der Fehler hat das Bistum eine Million Euro gekostet – mehr Geld, als durch den Brief von Kardinal Sterzinsky eingenommen wurde, in dem er im Dezember um Spenden für das notleidende Bistum gebeten hat. Auch die gerade gekündigten Mitarbeiter hatten den Spendenbrief in ihrem Briefkasten.

Wie viele Kündigungen wirksam werden, wie viel Geld das Bistum für Abfindungen zahlen muss, weiß noch niemand. Erst ein Drittel der Kündigungen sind ausgesprochen, erst wenige Arbeitsgerichtsprozesse abgeschlossen. Die Kündigungen würden erst in ein paar Jahren den Haushalt entlasten, sagt Bistumssprecher Förner. „Sparen ist teuer.“ Dennoch müssten dieses Jahr weitere 12 bis 15 Millionen gespart werden, um einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Wo, darüber herrscht offensichtlich Ratlosigkeit. Womöglich steht den Gemeinden noch eine zweite Sparrunde ins Haus.

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