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Ein eher konventioneller Schrebergarten in Berlin.

© dpa

Kleingärten in Berlin: Es tobt ein Kulturkampf in der Kolonie

In Prenzlauer Berg gibt es erbitterten Streit unter Kleingärtnern. Es streiten Alt und Jung zwischen Lauben an der Bornholmer Straße.

„Schmollwinkel“ heißt einer der Wege, die durch die Kleingartenkolonien an der Bornholmer Straße, östlich der S-Bahn-Station, im Prenzlauer Berg führen. Bornholm 1 und Bornholm 2 – zwei Anlagen mit über 400 Parzellen und mehr als 100 Jahren Tradition. Und ein Weg namens „Schmollwinkel“ – passt. Denn es gibt Streit unter den Kleingärtnern, schon lange. Und reden will kaum noch jemand.

Es ist ein Jahr her, dass das Berliner Abgeordnetenhaus einen Beschluss fasste, der für die Zukunft der Berliner Kleingärten maßgeblich sein könnte: „Dauerhafter Schutz für Kleingärten in Berlin“, lautete der Antrag der Regierungsfraktionen im Abgeordnetenhaus. Man wolle sich für den Erhalt der Anlagen einsetzen, heißt es da, erwarte aber eine „noch stärkere Öffnung der Anlagen für die Allgemeinheit und Integration in den Kiez“. Konkret: Mehr Flächen für Kitas und Schulklassen, öffentliche Wege, Sitzplätze und Spielflächen.

In einer wachsenden Stadt wie Berlin sind längst die Kleingärten ins Visier der Stadtplaner geraten. Gesucht wird Bauland für Wohnungen, Gewerbe und Infrastruktur – gefunden wird es häufig auf den Flächen, auf denen bisher gegärtnert wurde. Mit unterschiedlichem Ergebnis: Für die Erweiterungsbauten der einst berüchtigten Neuköllner Rütlischule musste eine Kolonie weichen. Die Kleingärtner von Oeynhausen in Schmargendorf scheinen ihre Anlage behalten zu können – sie siegten bei einem Bürgerentscheid gegen Pläne eines Investors, der Wohnungen bauen will. In den Kolonien an der Bornholmer Straße gilt Bestandsschutz bis 2020, grundsätzlich aber ist die Anlage potentielles Bauland.

Die Öffnung der Kolonie scheiterte erst einmal

Vielleicht wäre es gut, die Anlage stärker für Externe zu öffnen, dachten sich deshalb einige Parzellenpächter in den Kolonien Bornholm 1 und 2 im Herbst des letzten Jahres. Ein „Tag des offenen Gartens“ sollte her, Ende September, zur Erntezeit. Die Veranstaltung fand statt, aber irgendetwas scheint schiefgelaufen zu sein. Ein paar Wochen später bekamen drei Kleingärtner Post vom Bezirksverband: Kündigungsschreiben, Gerichtsverfahren mit offenem Ausgang. Bis heute: ungeklärt. Inzwischen ist ein Mediator am Werk.

Rückblende: Im Sommer 2014 setzten einige Pächter eine Internetseite auf, nannten sie bornholmgaertner.de und wollten sich mit anderen Gärtnern „zum Erhalt unserer Kleingartenanlage“ vernetzen. Dafür gab es eine Abmahnung, „eigenmächtig“ sei die Seite ins Netz gestellt worden, kritisierte der gewählte Vorstand und fühlte sich übertölpelt. Es ging weiter mit dem „Tag des offenen Gartens“, für den Einladungen verteilt wurden. Was für die einen eine harmlose Idee war, um den Kiez zu umgarnen, wirkte auf andere wie eine heimliche Machtübernahme.

Die Dinge liefen aus dem Ruder, bald darauf hingen Zettel in der Kolonie, auf denen Bezirksverband und Kolonievorstand erklärten, dass eine „sogenannte Initiative ‚Offene Gärten‘“ in den Kolonien ungenehmigt „ihr Unwesen treibe“. Die Initiatoren machten derweil Wahlkampf für sich mit Handzetteln. Offen reden will im Moment keiner von ihnen – ebenso wenig die Gärtner im Bezirksvorstand und der Kolonieleitung.

Dieser Tage, Sommer in Bornholm 1: Seniorenfest im Vereinsheim. „Tanzmusik mit Achim“ steht auf dem Programm, ein Sänger mit Keyboard und glänzendem Hut. Dazu 40 ältere Menschen mit Lust auf Tanzen und glänzender Laune. Bier und Kurze, in den Schaukästen die Hinweise auf Skatturniere und Arbeitseinsätze. Schrebergartenalltag. Aber so ganz normal dann doch nicht.

Kulturkampf zwischen Radieschen und Skatturnieren

Ein Kulturkampf sei das, sagt eine der wenigen, die reden wollen. Zu DDR-Zeiten lag die Kolonie direkt an der Mauer, sagt sie, das hätte viele Gärtner damals geprägt und würde nachhallen. Die Initiatoren der offenen Gärten hingegen seien junge Menschen, häufig mit Kindern, oft Zugezogene, internationaler Hintergrund. Das ist die eine Sicht. Die andere Sicht ist die der Alteingesessenen, die ihre Vertreibung fürchten. Die darauf verweisen, dass von den 400 Parzellen maximal 40 beim Tag des offenen Gartens dabei waren. Eine Minderheit. Der große Rest habe aber vielleicht mehr Spaß an Skatturnieren. Ein Generationenkonflikt auf offener Wiese.

An der Öffnung der Anlagen aber scheint auf lange Sicht kaum ein Weg vorbeizuführen. Rund 67.000 Kleingärten auf mehr als 3000 Hektar Kleingartenfläche gibt es in Berlin derzeit. Nach aktuellen Plänen des Senats sollen knapp 2500 Hektar erhalten bleiben, die große Mehrheit davon in städtischem Besitz. Es werden also weniger Gärten, und für die verbleibenden steigen die Anforderungen.

Kein Problem, sagt Günter Landgraf, Präsident vom Landesverband der Berliner Gartenfreunde. „Wir unterstützen die Öffnung in die Kieze“, sagt er, und berichtet von Patenschaften mit Altersheimen, Kindergärten und Schulen. Die Entwicklung im Prenzlauer Berg kann Landgraf nicht kommentieren, denn als einziger der Berliner Bezirke ist Prenzlauer Berg nicht Mitglied des Landesverbandes.

Bezirk Pankow fordert Öffnung in die Kieze

Deutliche Worte findet dafür Jens-Holger Kirchner, zuständiger Stadtrat in Pankow. Als Bezirk wolle man die Kleingärten erhalten. Aber die Anlagen dürften sich nicht länger abschotten. „Das ist öffentliches Grün, kein Privatbesitz“, sagt Kirchner, der erfolglos versuchte, zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln. Ein kluger Vorstand hätte sich längst an die Spitze der Bewegung gesetzt, findet Kirchner. Soweit ist es noch nicht am Schmollwinkel.

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