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Berlin: Feindliche Annäherung an Rot-Rot

Politiker diskutierten über die ersten 100 Tage

Stand:

Erstmal in die Defensive, dann aus der Deckung heraus punkten. Irgendeine Taktik muss man ja haben. SPD-Fraktionschef Michael Müller ahnte, dass der Kampf schwer werden würde. Schmallippig, blass im Gesicht, den Kopf gesenkt, machte sich Müller bei der Bilanzdebatte am Montagabend gleich zu Beginn die feindliche These zu eigen, der Start der Regierungskoalition sei „holprig“ verlaufen.

100 Tage rot-rotes Bündnis. Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung hatte zur Diskussion um eine erste Bilanz der zweiten Auflage des SPD-Linkspartei-Senats ins Abgeordnetenhaus geladen, moderiert von der stellvertretenden Chefredakteurin des Tagesspiegels, Ursula Weidenfeld. Um sie herum saßen vornehmlich Kritiker von Rot-Rot, der FDP-Bundestagsabgeordnete Markus Löning, der Berliner CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger und Markus Kerber, Finanzwissenschaftler an der TU Berlin.

Besonders Kerber ließ kein gutes Haar an der Regierungspolitik. Nachdem das „Hasardeurspiel“ der Verfassungsklage um Bundeshilfen gescheitert sei, drücke sich der Senat um die notwendigen Konsequenzen, etwa die Privatisierung von Landesunternehmen wie BSR und BVG, Vivantes-Kliniken, Wasserbetriebe – eigentlich gehöre alles auf den Prüfstand. Statt Industrie anzusiedeln und Schulden abzubauen lasse sich der Regierende Bürgermeister Wowereit zum „deutsch-französischen Kulturbeauftragten“ ernennen, um als solcher „auf allen internationalen Hochzeiten herumzutanzen und sich mit seinen Französischkenntnissen zu blamieren“. Müller ist sprachlos, aber an seiner Seite sitzt ja noch Pflüger, mit grün kariertem Jackett und grün leuchtender Krawatte. Das mit dem Kulturbeauftragten sei nun wirklich nicht zu beanstanden. Die schleppende Neuansiedlung von Unternehmen dagegen sehr.

Damit war das Generalthema der Debatte erreicht: Nutzung oder Schließung des Flughafens Tempelhof. Pflüger verlangt, sich mit allen Beteiligten noch mal zusammenzusetzen, um den Flugbetrieb in Tempelhof zu retten, ohne den Bau des Flughafens in Schönefeld zu gefährden. Er wisse auch nicht, ob beides zu schaffen sei, aber versuchen sollte man es. Müller, immer noch in der Defensive, ärgert sich über die Art, „ständig Berliner Beschlüsse infrage zu stellen“. Tempelhof sei möglicherweise ohne Flugzeuge besser zu vermarkten als mit.

Das Thema „100 Tage Rot-Rot“ ging zwischendurch verloren, aber niemand vermisste es. Pflüger versprach, er wolle auch künftig Politiker anderer Parteien beipflichten, wenn sie mal was Richtiges getan hätten. Die grün-grüne Jackett-Krawatten-Kombination sei aber keinesfalls symbolhaft zu verstehen. loy

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