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Seit mehr als zehn Jahren engagiert sich Britta Dietrich für den Gratulationsdienst.

© Markus Lenhardt/dpa

Geburtstagsbesuche bei Senioren: Ehrenamt mit Herz und Nähe

Britta Dietrich besucht seit mehr als zehn Jahren ältere Menschen an Geburtstagen oder zu hohen Ehejubiläen ehrenamtlich. Warum das Freude bringt – und weshalb Nachwuchs gesucht wird.

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Britta Dietrich sitzt auf dem Sofa einer Frau, die ihren 95. Geburtstag feiert. Sie unterhalten sich, lachen zusammen – dabei hat sie das Geburtstagskind gerade erst kennengelernt. In dieser Situation ist sie häufig, denn seit mehr als zehn Jahren gratuliert Dietrich als Ehrenamtliche älteren Menschen zu ihrem Geburtstag oder zu hohen Ehejubiläen. 

Die 60-Jährige leitet eine Gruppe von rund fünf Menschen im Rahmen des Gratulationsdiensts in Berlin-Mitte. Ab dem 85. Geburtstag wird Senioren gratuliert, ab dem 90. jährlich – wenn gewollt. Jeden Monat bekommt Dietrich vom Bezirksamt eine Liste mit den Namen, Adressen und Geburtstagsdaten. Einige Wochen vor dem Ehrentag klärt sie, was sich die Menschen wünschen – einen Besuch, einen Anruf oder einen Brief? „Das geht immer so, wie die Leute das sich wünschen“, sagt sie. 

Außerdem fragt sie die Menschen, welches Geschenk sie sich im Wert von 10 Euro wünschen. Manche möchten einen Gutschein, manchmal sind es aber auch Blumen oder kleine Präsente. „Ich hatte auch schon Leute, die haben sich Waschpulver und Weichspüler gewünscht“, erzählt sie. 

Zu Besuch bei einem 95. Geburtstag

Tina Jury bekommt von Dietrich zu ihrem 95. Geburtstag einen Gutschein für eine Supermarkt-Kette. Auf Jurys Sofa kommen die beiden Frauen ganz natürlich ins Gespräch. So reden sie etwa über die Vergangenheit, über ihre Kinder oder Musik. Das Gefühl, dass die beiden sich gerade erst kennengelernt haben, kommt nicht auf. 

Es sei das erste Mal, dass jemand vom Gratulationsdienst da sei, erzählt Jurys Tochter, Tatjana Jury. Zuvor seien sie etwas zurückhaltend gewesen. Aber sie habe gemerkt, dass das Ehrenamt nicht nur ein „Verwaltungsakt“ sei, sondern es vor allem darum gehe, soziale Kontakte zu haben. „Das ist auch ein bisschen ein kleiner Blick in die Privatsphäre der Menschen“, sagt sie. „Zu schauen: Läuft alles? Läuft es nicht?“ 

Ihre Mutter liebe es, Kontakt zu anderen Menschen zu haben. Das merke sie auch daran, wie sie sich mit Britta Dietrich unterhalte. So wie die „beiden hier miteinander reden und sie auch ganz offen ist, das tut ihr schon gut“, sagt Tatjana Jury über die 95-Jährige. Die Jubilarin selbst war von dem Besuch angetan, wie sie am Ende resümiert.

Besuche immer unterschiedlich

Die Besuche laufen nie gleich ab, erzählt Dietrich: „Es ist immer etwas anderes, und es ist immer wieder schön.“ Manche bereiteten ein Frühstück vor, bei anderen wiederum sei sie bei einer großen Runde dabei. „Manchmal sitzt man auch einfach da und man schwatzt mit den Leuten, und die sind zufrieden, dass sie jemanden haben zum Erzählen“, sagt die 60-Jährige. Wenn sie merke, dass die besuchte Person etwas vereinsamter sei, bleibe sie auch schon mal zwei Stunden. „Ich will einfach was tun“, erklärt sie. 

In den Berliner Bezirken wird das Ehrenamt unterschiedlich organisiert. Manche Ehrenamtler kündigen sich an, in dem sie vorher schon Zettel einwerfen. Andere wiederum klingeln an den Geburtstagen bei den Menschen und werfen ansonsten etwas in den Briefkasten.

„Da haben sich auch schon Freundschaften entwickelt“

In Mitte gebe es mehrere Sozialkommissionen, so Dietrich. Diese sind nach Arealen im Bezirk eingeteilt. In ihrem Bereich gratulieren sie und ihre Gruppe rund 30 Menschen pro Monat. Für das Engagement gibt es eine kleine Aufwandsentschädigung. „Das ist ganz schön. Und das ist ja wenigstens so, dass man auch die Fahrkarte wieder hat, wenn man irgendwo hinfahren muss“, sagt sie. „Die sind ja nicht alle hier in der Nähe, meine ehrenamtlichen Leute.“

Wer wem gratuliert, teilt Dietrich ein. Damit sich die älteren Menschen „nicht jedes Mal an ein neues Gesicht gewöhnen müssen“, orientiere sie sich an der Verteilung des Vorjahrs. Aber auch von den Ehrenamtlichen seien viele bestrebt, zu den gleichen Geburtstagskindern gehen zu können. Das sei sowohl für die Menschen als auch für die Ehrenamtler schön. „Da haben sich auch schon Freundschaften entwickelt“, berichtet sie.

„Ich lerne gerne andere Menschen kennen“

Auch Roland Tischer gratuliert seit mehreren Jahren ehrenamtlich zu Geburtstagen und hohen Hochzeitstagen. Der 70-Jährige leitet eine Gruppe in Friedrichshain. Durch das Ehrenamt kommt er gut rum. „Ich bin gerne im Kiez unterwegs“, sagt er. Die Tätigkeit mache ihm Spaß und sei immer wieder spannend. Auch für ihn hat sein Engagement einen sozialen Aspekt: „Ich lerne gerne andere Menschen kennen.“

Eine Aufgabe des Ehrenamts ist es auch, niedrigschwellig nach den älteren Menschen zu schauen. „Wir gucken uns ein bisschen um, kann hier Hilfe nötig sein?“ erklärt Tischer. Manchmal fragten ihn die Besuchten auch nach Hilfsangeboten, etwa wenn der Partner gestorben sei und die Person bei Verwaltungsangelegenheiten Unterstützung brauche. Dann habe er Flyer dabei mit Informationen zu Anlaufstellen. Oder er vermittle Kontakte. Für eine ältere Dame organisierte er etwa eine Begleitperson für gemeinsame Spaziergänge. 

Gibt es genug Nachwuchs?

Momentan seien sie in ihrem Areal gut aufgestellt, sagt Dietrich. Aber für die Zukunft des Ehrenamts sieht sie eher schwarz. „Das wird sicher irgendwann eingestampft werden“, sagt sie, „weil einfach kein Nachwuchs mehr kommt.“ Manche der Ehrenamtler seien selbst schon über 80 Jahre alt. 

Nach Angaben des Ehrenamtsbüros Mitte arbeiten dort im Gratulationsdienst rund 80 Menschen. Dabei gebe es eine höhere Anfrage an Unterstützung als abgedeckt werden könne. Gerade im Gratulationsdienst engagierten sich viele Hochbetagte, teils seit Jahrzehnten, und meist kämen nicht genug Ehrenamtliche nach. „Wir sind daher ständig auf der Suche nach Menschen, die an diesem Ehrenamt Freude hätten“, so eine Sprecherin. 

Was muss man dafür mitbringen? Für die Tätigkeit braucht es aus Sicht von Dietrich vor allem zwei Dinge: „Empathie für die älteren Leute, ein bisschen Herzblut, und ansonsten braucht man eigentlich gar nichts.“ (dpa)

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