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Gedenkzeichen enthüllt: Gedenken in Ravensbrück: „Wir entscheiden, wem wir zuhören“
Im Frauenlager Ravensbrück starben während der NS-Zeit Tausende Menschen. Zwei Überlebende berichten von den Schrecken in der „Hölle von Ravensbrück“. Die Kulturministerin findet eindringliche Worte.
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Im Beisein mehrerer Überlebender ist im Frauen-Konzentrationslager (KZ) Ravensbrück ein Gedenkzeichen zu Ehren der Opfer eingeweiht worden. Mit dem Einmarsch der Nazis im Jahr 1939 sei ihr Leben auf den Kopf gestellt worden, sagte die jüdische Ravensbrück-Überlebende Mala Tribich. Bis dahin führte sie mit ihrer Familie ein friedliches Leben. Später wurde sie in Richtung Ravensbrück gebracht. Mehr als vier Tage waren sie unterwegs. Zig Menschen starben auf diesem Weg.
„Ich kann mich nur an Tod und Entbehrung erinnern“, führte Tribich aus. Ihre Mutter und ihre Schwester starben. Sie sei Menschen begegnet, die „wie Zombies wie Skelette“ ausgesehen hätten und unter der zusätzlichen Belastung der Zwangsarbeit zusammengebrochen seien. Sie entging dem Tod durch Krankheit und völliger Erschöpfung nach eigenen Angaben nur knapp. „Wenn ihr Ungerechtigkeit oder Hass seht, dann handelt und duldet es nicht einfach.“
„Sie waren Kinder“, sagte Gedenkstättenleiterin Andrea Genest in Richtung der Überlebenden. „Sie mussten ihre ersten Erfahrungen in diesem Lager machen.“ Der KZ-Überlebende Richard Fagot, der ab 1944 als neunjähriges Kind gemeinsam mit seiner Mutter im KZ Ravensbrück inhaftiert war, betonte, dass der Antisemitismus „letzten Endes eine Gefahr für den Fortbestand dieser Zivilisation“ sei. Das Gedenkzeichen setze ein Zeichen gegen die Tendenz eines „latenten Antisemitismus“.
„Systematisch grausam und menschenverachtend“
Dieses Denkmal erinnere an die rund 20.000 jüdischen Häftlinge in Ravensbrück, sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden. Ein Drittel der Inhaftierten habe das Lager nicht überlebt. „Es waren Frauen, Töchter, Tanten, Cousinen.“ Die Bedingungen seien „systematisch grausam und menschenverachtend“ gewesen.
Es gehe noch immer darum, „dieses System zu verstehen, in dem jeder verstrickt war“, sagte Kulturministerin Manja Schüle (SPD). Die Opfer sterben „ein zweites Mal, wenn sie vergessen werden“, wie sie ergänzte. Noch gebe es Menschen, „die die Hölle von Ravensbrück überlebt haben“. Jede Generation trage die Verantwortung, das Wissen über die Verbrechen der Nazis aufrechtzuerhalten - einer Weltsicht, deren ideologischer Kern der Antisemitismus gewesen sei. „Er sorgte für eine entgrenzte Gewalt“, ohne sich rechtfertigen zu müssen.
Ministerin Schüle: Entscheiden, wem wir zuhören
Judenhass sei ein Alarmzeichen für die Stabilität der Demokratie. Wenn er sich ausbreite, richte sich der Hass irgendwann gegen alle Minderheiten. „Wir alle entscheiden jeden Tag aufs neue, wem wir zuhören“, sagte die Ministerin. Gewalt beginne dort, wo Menschen nicht als Individuen betrachtet würden, wo weggehört und sich weggeduckt werde. Dort, wo „wir Menschen die Empathie verweigern, sie ausgrenzen und sie unsichtbar machen“.
In Ravensbrück ließ die sogenannte Schutzstaffel der Nazis 1939 das größte deutsche Frauen-Konzentrationslager errichten, in das später auch Männer kamen. Zwischen 1939 und 1945 waren laut Gedenkstätte mehr als 120.000 Frauen, 20.000 Männer und etwa 1.200 weibliche Jugendliche dort inhaftiert. Zehntausende waren ermordet worden oder an Hunger, Krankheit oder durch medizinische Experimente gestorben.
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