Berlin: Grüne Heimat gesucht
Yesilyurt ist der beste türkische Berliner Fußball-Klub – und trotzdem noch ohne ein eigenen Platz
An das Spiel, mit dem alles anfing, erinnert sich Bülent Gündogdu genau. Es war der vorletzte Spieltag der Saison 83/84 in der Kreisliga C. Auf der Sportanlage Lohmühlenstraße spielte Izmirspor gegen den SV Yesilyurt. Für die beiden noch jungen Vereine ging es um den Aufstieg in die Kreisliga B. „Wir gewannen 4:1 und wurden Meister“, sagt Gündogdu, damals Trainer von Izmirspor.
Izmirspor änderte ein Jahr später seinen Namen in Türkiyemspor und wurde zu einer der erfolgreichsten Berliner Mannschaften der Achtzigerjahre. Fünfmal in Folge stieg Türkiyemspor auf und hätte sich 1989 sogar fast für die Zweite Bundesliga qualifiziert. Yesilyurt dagegen spielte vorerst weiter in den unterklassigen Ligen. Erst heute, 20 Jahre später, hat der im Wedding ansässige Verein den Rivalen aus Kreuzberg einholen können. Im vergangenen Jahr stieg Yesilyurt in die Oberliga auf - heute steht der Klub in der Tabelle vor Türkiyemspor. Gündogdu war zwölf Jahre lang Trainer bei Türkiyemspor – zwischen 1983 bis 2003, unterbrochen durch Abstecher in die türkische erste Liga und die Bayernliga. Gestern kehrte der 44-Jährige erstmals ins Katzbachstdion zurück – auf Seiten von Yesilyurt. Der Klub hat längst Türkiyemspors Position des besten türkischen Berliner Klubs eingenommen. Gestern wollte sich Yesilyurt für die Niederlage vor 20 Jahren revanchieren. Das klappte allerdings nicht, das Spiel endete 0:0.
Als Aufsteiger steht die Mannschaft nun auf einem überraschenden fünften Tabellenplatz, während Türkiyemspor in dieser Saison vor allem negativ auffiel. Stürmer Michael Fuß, mit 22 Hinrundentoren wichtigster Türkiyemspor-Spieler, hatte in der Winterpause genug und wechselte zu Tennis Borussia. Natürlich hat Gündogdu das Geschehen in seinem alten Klub verfolgt. „Es tut mir weh zu sehen, in welchen Schwierigkeiten Türkiyem steckt, „aber die Zukunft gehört Yesilyurt.“
Die aus Türken wie aus Deutschen bestehende Klubführung wirtschaftet vorsichtig. „Wir wollen uns erst mal in der Oberliga etablieren, dann sehen wir weiter“, sagt Gündogdu und warnt davor, dass die Aufstiegseuphorie bald verfliegen könnte. Drei Säulen brauche ein Verein, um erfolgreich zu sein, erklärt Gündogdu: gesunde Finanzen, eine gute Jugendarbeit und eine Heimat. „Anderthalb davon haben wir schon. Die Finanzen sind in Ordnung, die Jugendarbeit bauen wir auf, nur die Heimat fehlt noch.“ Ausgerechnet der Klub, dessen Name auf Deutsch „grüne Heimat“ bedeutet, hat in Berlin keine. Die Jugendmannschaften spielen auf verschiedenen Sportplätzen im Norden der Stadt, das erste Team trug seine Heimspiele vergangene Saison an der Ungarnstraße aus, in diesem Jahr an der Osloer Straße. Sollte die Mannschaft 2006 in die Regionalliga aufsteigen, wird auch dieser Platz zu klein sein.
Steffen Hudemann