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Mann mit Überblick. Hans Stimmann hatte als Senatsbaudirektor stets einen kritischen Blick auf die Stadt, wie hier auf ein Modell des Köbis-Dreiecks. Als gelernter Maurer bevorzugte er die Ästhetik von Stein, mit Glasbauten dagegen konnte er kaum etwas anfangen. Das galt auch für das Sony-Center.

© Kai-Uwe Heinrich

Hans Stimmann feiert Geburtstag: Berlins Hausherr wird 75

Hans Stimmann hat in der Nachwendezeit das Stadtbild geprägt wie nur wenige vor ihm. Am heutigen Mittwoch wird der langjährige Senatsbaudirektor 75 Jahre alt.

Vor einem Jahr hat ihn noch einmal der Zorn gepackt. Das war im Februar 2015. Da schrieb Hans Stimmann für den Tagesspiegel auf, was in den ersten Nachkriegsjahrzehnten in der Berliner Stadtplanung alles schief gelaufen war und warum er so erbittert für die „kritische Rekonstruktion und die Re-Urbanisierung“ der Stadt gekämpft habe. Und er erklärte noch einmal, weshalb er in den vielen Amtsjahren als Senatsbaudirektor (1991 bis 1996 und 1999 bis 2006) seine Vorstellung einer lebendigen Stadt so hartnäckig durchgesetzt habe, oft zum Missvergnügen der Architekten, die Stimmanns Vorgaben als ein jede Fantasie erstickendes Korsett empfanden.

„Ich will den Leuten keine Architektur vorschreiben“, hatte er einmal früher gesagt, aber genau das tat er. „Ich bin doch kein Geschmacksdiktator“, so hat er sich auch verteidigt - und wurde dennoch genau als das empfunden. Fakt ist: Keiner hat so wie Hans Stimmann, der heute 75 Jahre alt wird, das Bauen in Berlin beeinflusst. Und das in einer Phase, nach der Wiedervereinigung, in der in dieser Stadt alles möglich schien, jeder Größenwahn für wahrscheinlich, jede Planung für zu klein, keine Wachstumsprognose für zu groß gehalten wurde.

Stimmann zeigte den Bauherrn und Investoren, wo der Hammer hängt

Und da kam dieser Stimmann, geboren 1941 in Lübeck, mit seiner gediegenen, genauso bodenständigen wie anspruchsvollen Ausbildung, und zeigte den Bauherrn und Investoren der angehenden Weltstadt, wo der Hammer hängt. Gleich im Wettbewerb um den Potsdamer Platz erklärte er, kaum im Amt, den Geldgebern und Firmenvertretern der Weltkonzerne, dass sie in Berlin gar nichts zu sagen hätten, dass sie sich gefälligst den Vorgaben zu fügen hätten.

Vielleicht musste da wirklich einer kommen wie er. Einer, der nach der Mittleren Reife erst eine Maurerlehre absolviert hatte, dann an der Staatlichen Ingenieurschule der Fachhochschule Lübeck das Architekturstudium mit dem Ingenieur abschloss, später dann an der TU Berlin noch Stadt- und Regionalplanung studierte, 1977 promovierte, zwischendrin als angestellter Architekt für Industrie-, Wohnungs- und Schulbau in Frankfurt am Main praktische Erfahrung sammelte, ein Mann also, dem niemand vormachen konnte, wie man in einer Großstadt bauen sollte.

Mit Glas konnte der gelernte Maurer nie viel anfangen

Wahrscheinlich hängt es mit seiner Maurerlehre zusammen, dem Wissen von der ästhetischen Schönheit eines aus Ziegeln gestalteten Kreuzverbandes, dass er sein ganzes Berufsleben lang eine Präferenz für Stein als Verkleidungsmaterial hatte. In ein städtisches Haus gehören Öffnungen, die den Übergang vom Öffentlichen ins Private definieren – das ist so einer der Sätze, mit denen er große Glasfronten ablehnte. „Wer baut denn ein Wohnhaus aus Glas, es sei denn, er heißt Philip Johnson und wohnt im Park?“, fällte er sein Geschmacksurteil, als ginge es den Senatsbaudirektor etwas an, wie die Leute wohnen wollen.

Die gläserne Fassade der Akademie am Pariser Platz hat er ertragen, das gläserne Sony-Center unter dem gigantischen Zeltdach konnte er nicht verhindern, verdammen konnte er es schon: „Wie soll ein Glashaus wie das Sony-Center von Helmut Jahn in 100 Jahren aussehen“, fragte er provozierend, man müsse eben Materialien nehmen, die 100 Jahre alt und älter werden können, war seine gestalterische Vorgabe. Gegenüber dem Sony-Center, in der Daimler-City, hatte er sich durchgesetzt, und das anhaltende Publikumsinteresse zeigt, dass er wohl nicht total schief lag.

Die Friedrichstraße wurde zum Stein gewordenen Debakel

Die Friedrichstraße hingegen mit der konsequenten Umsetzung der Traufhöhe von 22 Metern ist, was die gestalterische Kraft der ausführenden Architekten angeht, eher ein Stein gewordenes Debakel – nicht wegen der Traufhöhe, oh nein, die sorgte für die Wahrung menschlicher Dimensionen. An der Fantasielosigkeit der Entwürfe war Stimmann ja nicht schuld. Dass die Investoren, die nicht in die Höhe bauen durften, dafür in die Tiefe gehen würden, das hätte er ahnen können. Das Ergebnis: fatal.

Das geschäftige Leben zog von der Straße weg, in die Souterrains. Und da kaum Menschen in dieser zur Passage gewordenen Straßenflucht leben, ist die Friedrichstraße am Abend auch eine sehr einsame Straße geworden, also genau das Gegenteil von dem, was Stimmann eigentlich erreichen wollte.

Dass er immer gegen Hochhäuser gewesen sei, trifft nicht zu

Man hat Stimmann vorgeworfen, er habe in den ersten Jahren seiner Amtszeit bei allen Wettbewerben einen geschlossenen Kreislauf von Juroren geschaffen, in dem die Entscheider des einen Wettbewerbs zu den Bewerbern und Auserkorenen des nächsten gehörten. Das freilich kam und kommt nicht nur in Berlin vor. Aber bei insgesamt mehr als 200 Wettbewerben in den ersten zehn Jahren der Nachwendezeit kamen am Ende alle irgendwie zum Zuge.

Dass er mit seinem „Planwerk innere Stadt“, vom Senat am 18. Mai 1999 als städtebauliches Leitbild beschlossen, so etwas wie einen Masterplan für die behutsame Stadterneuerung vorgelegt hat, bestreiten heute viele seiner Gegner von einst nicht mehr. Dass er immer gegen Hochhäuser gewesen sei, trifft im Übrigen auch nicht zu. Er wollte sie da, wo sie aus seiner Sicht Akzente setzen konnten – und wo sie heute auch stehen.

Stimmann kämpfte dafür, das Stadtbild zu erhalten, wie wir es kennen

In dem eingangs zitierten Tagesspiegel-Beitrag beschwor er noch einmal die kritische Rekonstruktion, ein stadtplanerisches Prinzip, das mit der IBA 1987, der Internationalen Bauausstellung in West-Berlin, ausformuliert wurde. Namen wie Josef Paul Kleihues und Hardt-Waltherr Hämer stehen für diese „behutsame Stadterneuerung“ und das konsequente Nein zum Abriss des Bestehenden, jenen Sturmlauf geschichtsloser Planer, dem in den 60-er und 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts ganze Stadtviertel zum Opfer fielen.

Da waren Fachleute am Vernichtungswerk, die bar jeden historischen Bewusstseins und frei von jedem Gefühl für die lebende, die lebendige Stadtmischung aus Wohnen, Arbeiten und Gewerbe agierten. Wer heute auf alten Fotos sieht, was damals in Berlin alles abgerissen wurde, muss im Nachhinein dankbar sein, dass jemand wie Stimmann dafür kämpfte, das Bild der Stadt, wie wir es kennen, zu erhalten. Zumindest ist das am 75. Geburtstag keine schlechte Bilanz.

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