zum Hauptinhalt

Berlin: Hardenbergs Bücherschatz – ein Glücksfall für Berlin

Seit dem Ende des 18.Jahrhunderts musste die bedeutende Adelssammlung mehrfach umziehen. Jetzt gehören die 6000 Bände der Landesbibliothek

Neben dicken Wälzern über die Staatskunst und neben historischen Standardwerken stehen auch exotische Büchlein wie dieses von 1799: „Über den Anbau der sogenannten Runkelrübe und die mit derselben angestellten Zuckerversuche.“ Der preußische Staatskanzler Karl August Fürst von Hardenberg, dem die in feines Leder, Glanzpapier oder Seide gebundenen Bücher einst gehörten, war eben beides: Politiker und Landwirt. Als viel reisender Diplomat besaß er auch etliche der gerade „erfundenen“ Reiseführer und handliche Werke der schönen Literatur, von Horaz bis Schiller. Ein alter Stempel mit dem Familienwappen verrät die Herkunft der Bücher: Bibliothek zu Neuhardenberg. Ein Glücksfall für Bibliothekare.

Heute wird Hardenbergs private Bibliothek als Neuerwerbung der Berliner Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) vorgestellt: rund 6000 Bände, darunter auch einige aus dem Besitz seiner ersten Frau Christiane von Reventlow. Damit zieht eine der bedeutendsten noch erhaltenen Adelsbibliotheken der Jahre um 1800 dauerhaft nach Berlin um.

Hardenbergs Bücherschätze haben mehrfache Plünderungen seiner Wohnsitze überstanden: 1806 in Tempelberg durch Napoleons Truppen; 1945 in Neuhardenberg durch die Rote Armee. Wie viel des Bestandes dabei zugrunde ging, weiß niemand. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Flucht der Familie überführte man die verbliebenen Bestände auf Befehl der Sowjets in die Brandenburgische Landesbibliothek nach Potsdam, wo sie wissenschaftlich bearbeitet wurden. In Potsdam radierte man allerdings auch die alten Inventarnummern aus, die über Hardenbergs Systematik hätten Auskunft geben können.

1996 erhielt die Familie von Hardenberg den in Potsdam aufbewahrten Teil zurück. Einige besonders wertvolle Werke hatte Reinhild Gräfin von Hardenberg, eine Tochter des nach dem 20. Juli 1944 in Sachsenhausen inhaftierten Carl Hans Graf von Hardenberg, schon 1945 aus dem besetzten Schloss gerettet und auf die Flucht mitgenommen: In Lavaters „Physiognomischen Fragmenten“ von 1778 finden sich noch immer Strohhalme zwischen den Buchseiten.

Ein Verkauf der wiedervereinigten Bibliothek an den Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband, der das Schinkel-Schloss Neuhardenberg restaurierte und seit 2002 als Tagungsstätte nutzt, kam nicht zustande. 2003 gab ein Mitarbeiter der Kulturstiftung der Länder den entscheidenden Tipp an die ZLB. Die Kulturstiftung hatte bereits im Jahr zuvor den Berlinern beim Erwerb der Bibliothek des DDR-Wirtschaftshistorikers Jürgen Kuczynski geholfen. Diesmal gelang der Ankauf aus Eigenmitteln. Über den Kaufpreis schweigt man, doch Annette Gerlach, Leiterin der historischen Sondersammlungen der ZLB, lobt die Verhandlungen mit der Familie: „Wir haben uns nicht verausgaben müssen.“

Den Bibliothekaren und Nachkommen des Kanzlers geht es nun darum, Hardenbergs erhaltene Bücher geschlossen zu bewahren. Zugute kommt das allen: Jeder Bibliotheksnutzer darf künftig im Lesesaal in ihnen schmökern.

Die historischen Sammlungen der ZLB, Breite Straße 30, sind donnerstags

von 10-19 Uhr zugänglich.

Michael Zajons

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false