Berlin: "Haß auf alles Kurdische" bei Kreuzberger Schülern
BERLIN .Das Landesschulamt hat Donnerstag vormittag alle Kreuzberger Schulen aufgefordert, die Schüler vorzeitig nach Hause zu schicken, falls deren Schulweg irgendwie die Route der angekündigten Kurden-Demonstration schneidet.
BERLIN .Das Landesschulamt hat Donnerstag vormittag alle Kreuzberger Schulen aufgefordert, die Schüler vorzeitig nach Hause zu schicken, falls deren Schulweg irgendwie die Route der angekündigten Kurden-Demonstration schneidet.Die Kinder müßten das "Schulgelände gefahrlos verlassen können", notfalls sei die zuständige Polizeiwache einzuschalten, hieß es in der Eilmeldung.Schulleiter atmeten auf, als bekannt wurde, daß die Demonstration verboten worden war.
Doch der Konflikt hat die Schulen ohnehin längst erreicht.Zwar gibt es keine Hinweise, daß wieder einmal türkische und kurdische Jugendliche aufeinander losgehen.Doch "Haß auf alles Kurdische" hörte Schulleiter Dietmar Pagel trotzdem bei vielen seiner 13jährigen türkischen Schüler heraus.Sie hatten die nationalistischen Propagandafeiern im türkischen Fernsehen gesehen und Pagel stellte entsetzt fest, daß viele verhetzt jede noch so aberwitzige Propagandalüge glaubten.Einer hätte sogar behauptet, die PKK habe 30 000 Babies ermordet.
Die Hälfte aller Schüler der Kreuzberger Hector-Petersen-Gesamtschule sind Migrantenkinder, zumeist türkische.Wer Kurde ist, wird weder gezählt noch anderswo vermerkt.Doch in den achtziger Jahren, sagt Pagel, hätte er im Unterricht offener als heute über das Kurdenproblem diskutieren können.Gestern sei dann sogar in einer siebten Klasse das Gespräch über die Hintergründe der Öcalan-Verhaftung abrupt zu Ende gewesen: Als sich ein Schüler als Kurde zu erkennen gab, schwiegen alle anderen nur noch.Pagel wird, wie sein Kollegium, die Konflikte trotzdem wieder im Unterricht besprechen, weil man der Intoleranz anders nicht begegnen könne.
Nicht jeder Lehrer hält Gespräche über das Kurden-Problem für sinnvoll.Viele sind froh, wenn sich ethnische und religiöse Konflikte und Nationalismus nicht mehr in der Schule entladen.Der Schulpsychologe Christian Neumann, der 14 Schulen in Neukölln betreut, hat Verständnis dafür.Er hat in solchen Fällen schon oft intervenieren müssen, aber dabei eben auch schon die Grenzen pädagogischen Einflusses erlebt.Wenn sich haßerfüllt eine straff nationalistisch, an den Ideen von Milli Görus orientierte Gruppe und eine ebenso fanatische Gruppe junger PKK-Symphatisanten anbrüllten, sei ein Lehrer schnell in der Klemme, sagt Neumann."Er wird, egal für welche Argumente auch immer, von beiden Seiten der Parteinahme geziehen und müßte schon, um Erfolg zu haben, ein Mahatma Ghandi sein."
Während der Türkische Elternverein gestern jede Stellungnahme ablehnte ("Wir beschränken uns auf unsere Erziehungs- und Bildungsarbeit"), kritisierte der "Verein der Eltern aus Kurdistan", der sich vor Jahren vom Türkischen Elternverein trennte, die Verhaftung des Kurdenführers als völkerrechtswidrig.Der Verein befürchtet eine Eskalation der Gewalt und glaubt, daß diese nur zu verhindern gewesen sei, hätte sich Europa anders verhalten.Wer von der Türkei jetzt einen "fairen Prozeß" fordere, sei zynisch. RM