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Berlin: "Haus für die Ewigkeit": Außen Hochzeitstorte, innen Dekadenz-Diät

Es ist heutzutage nicht leicht, aufzufallen. Andreas Gerl (57) hat es geschafft.

Es ist heutzutage nicht leicht, aufzufallen. Andreas Gerl (57) hat es geschafft. Mit seinem Haus. Denn es ist einfach anders. Schon in der Planungsphase provozierte es Grundsatzdiskussionen. Als Studenten das Büro des Architekten Hans Kollhoff besichtigten, der die Villa Gerl konzipierte, stellten sie die Frage: "Darf man das überhaupt?" Ja, darf man das denn: Im Jahr 2001 einen klassizistischen Altbau neu bauen? Für Gerl kam nichts Anderes in Frage. Er wollte "ein Haus für die Ewigkeit".

Aus der Nachbarschaft der hochgewachsenen Dahlemer Villen der Jahrhundertwende ragt das Haus in der Straße Im Schwarzen Grund heraus wie eine Hochzeitstorte im Kuchenregal. Der schwere, langgestreckte Baukörper ist massiger als die anderen und strahlt ein bisschen zu weiß, um wirklich ein Altbau zu sein. Klassisches Gesims, ein von vier Türmchen gekröntes Dach, Säulen neben der Eingangstür. Die Villa thront auf einem Sockel. Rechtsanwalt Andreas Gerl hat den Klassizismus wieder aufgegriffen. Er wollte ein zeitlos schönes Haus - in einem Stil, der nicht dem Stil der ausgehenden 90er-Jahre entspricht. "Denn der überlebt sich."

Wer es überlebt, ein klassizistisches Haus zu bauen, der hat auch schon was geschafft. Der Stress begann, bevor der erste Stein gelegt war. Bauen sie mir ein klassisches Haus, sagte Andreas Gerl zu drei Architekten - und bekam Pläne von modernen Häusern mit traditionellen Elementen. Ein bisschen so wie die Fertigbauhäuser im Landhausstil, mit denen derzeit die Vororte überzogen werden. Wer kann heute noch bauen wie die alten Griechen? Einen klassischen Grundschnitt mit einer Halle und symmetrisch umlaufenden Räumen, deren Maße so harmonisch sind wie die einer Renaissance-Kirche? Hans Kollhoff konnte.

Jedes Detail im Haus erzählt ein kleines Drama: Die Tapete spricht von den Schwierigkeiten, die Wände mit Seide zu überziehen. Die Holzvertäfelung benötigte einen Maßschnitzer. Der Terrazzo-Boden in der Eingangshalle erinnert an die Suche nach dem österreichischen Meister, der, eigentlich schon im Ruhestand, noch ein letztes Mal einen solchen Fußboden verlegte.

Die Moderne aber war auch aus der Villa Gerl nicht ganz heraus zu halten. Während der Hausherr Stuck wünschte, geschwungene Blüten und Schnörkel, verordnete Architekt Hans Kollhoff eine Dekadenz-Diät. Statt üppiger Schwellungen Zierleisten wie Bindfäden.

Geplant war am Anfang alles ganz anders. Damals, als sie ein neues Haus suchten, haben sich die Gerls auch modernere Häuser von moderner Nüchternheit angeschaut. Mit den schlichten Kästen aus Glas und Stahl konnte Andreas Gerl sich jedoch nicht anfreunden. "Da war die Wohnatmosphäre zu kalt." Die Altbauten waren zwar kuscheliger, aber auch nicht perfekt. Mal war der Flur zu lang, mal das Wohnzimmer zu klein. Und dann wurde zufällig auch noch das Grundstück am Park frei, auf das Herr Gerl schon lange gewartet hatte. Das schöne Grundstück mit einem Neubau verschandeln? Dann lieber einen neuen Altbau. Ein ewiges Haus ist ein ewiger Prozess: Es war vor sieben Jahren, dass das Ehepaar Gerl beschloss, aus dem alten Jugendstilhaus in Dahlem auszuziehen, weil die nach dem dritten Kind zu klein geworden war.

Sieben Jahre dauerte die Geburt der klassizistischen Villa - das ewige Haus ist eine unendliche Geschichte. Selbst drei Monate nachdem die Gerls eingezogen sind, laufen ständig Handwerker über den Marmorboden. Nach all dem, was sie mir diesem Haus mitgemacht haben, sagt Frau Gerl: "Jetzt bleiben wir hier wohnen, bis wir sterben." Der ewige Bauherr ist da pragmatischer: "Wenn man so ein Projekt angeht, dann muss man es auch richtig machen." Dass das nicht ganz schief gegangen ist, weiß Andreas Gerl, wenn die Leute sagen: "Schön, was man aus so einem alten Kasten alles machen kann."

Susanne Balthasar

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