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Berlin: „Ich habe Leidenschaft – damit schaffe ich es“

Nadja Stegmaier (23), Modedesignerin und Hartz-IV-Empfängerin

Was sie hat: 345 Euro Hartz IV und 172,50 Euro Einstiegsgeld für Gründer. 5000 Euro Schulden für Stoffe.

Was sie daraus macht: Arbeitet Tag und Nacht. Steckt jeden Euro in die Stoffe für die nächste Kollektion.

Was sie will: In ein eigenes Haus im Ausland, wo sie ihre Kollektionen entwirft.

Jung, erfolgreich, gut ausgebildet, das ist die staatlich anerkannte Modedesignerin Nadja Stegmaier aus Freiburg – und sie zahlt dafür, dass sie arbeiten darf. Für ihre Stoffe muss sie sich verschulden. Für Wettbewerbe nachts schneidern, weil sie tagsüber unbezahlt Praktika macht. Zeit zum Jobben bleibt ihr nicht. Deshalb lebt sie von Hartz IV. Erfolgreich fühlt sie sich schon, weil sie ihren Beruf ausübt: „Viele meiner Studienkollegen von der Stuttgarter Modeschule haben aufgegeben.“ Sie hat den Fifa-Modewettbewerb „Catwalk with Ball“ gewonnen, die Rechte an ihrer Kollektion aber erst nach der Weltmeisterschaft bekommen. Was bleibt, das ist der erste „Ruhm“ und die Catwalk-Fotos auf ihrer Homepage www.melonlei.de.

Seit einem Jahr wohnt sie in Berlin. Egal, wo sie sich bewirbt, soll sie ohne Bezahlung, ohne Vertrag arbeiten. Deshalb hat sie sich selbstständig gemacht mit 23. Ihr erstes Stück ist schon verkauft: Ein dunkelgrüner Brokatmantel für 250 Euro, einst der Vorhang ihrer Großmutter. Zusätzlich zu Hartz IV bekommt Nadja Stegmaier 172,50 Euro Einstiegsgeld von der Arbeitsagentur. Ein halbes Jahr lang. Damit soll sie es schaffen. Eine prekäre Situation. Zum Prekariat zählt sie sich trotzdem nicht. „Ich stehe nicht auf, ohne zu wissen, was ich machen soll. Ich stehe auf und weiß gar nicht, wo ich anfangen soll."

172,50 Euro monatlich, mit denen sie ihr Wohnzimmer-Atelier im November offiziell eröffnet hat. Im August will sie sich bei der internationalen Modemesse CPD in Düsseldorf mit Profis messen, ein anspruchsvolles Publikum zufrieden stellen. Wichtig ist die Qualität der Stoffe. Dafür leihen ihre Eltern ihr 5000 Euro. Personalkosten hat sie nicht. Sie kauft die Stoffe ein, fertigt die Schnitte an, schneidert ihre Kollektion allein.

Manchmal kommen ihr Zweifel: Was, wenn der Erfolg ausbleibt? Dann sagt sie sich: „Ich habe Leidenschaft. Ich werde es schaffen.“ Berlin sei ihr Sprungbrett. Wegen der jungen Mode, vieler Möglichkeiten – weil es so billig ist.

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