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Berlin: Im Zoo ist der Bär los

Zehntausende Besucher stehen jeden Tag Schlange, um Knut zu sehen Am Schaugehege sind auch Sicherheitsleute und das Rote Kreuz im Einsatz

So eine Schlange gab es seit der MoMA- Schau nicht mehr in Berlin: Sie ringelt sich vom Eingang nahe dem Bahnhof Zoo bis zur Hardenbergstraße. Wer den kleinen Knut sehen will, muss sich gleich doppelt anstellen: erst draußen an der Kasse vorm Zoo-Eingang, und dann nochmal drinnen, auf dem Weg zu seinem Gehege. Die Besucher beweisen Langmut, warten stundenlang. Niemand hat bislang den Aufstand geprobt, weil er wegen der Warterei die Knut-Show verpasste und das Eisbärchen längst schon wieder backstage weilte. Knut – ein Bär verzaubert die Stadt.

Doch die Knut-Manie wird nicht ewig anhalten, das weiß auch Heiner Klös. „Das Kindchenschema wächst sich von Tag zu Tag raus“, sagt der Zoo-Kurator. Spätestens im Herbst, wenn das Raubtier um die 80 Kilo wiegen wird, wird es auch für „Ersatzmama“ und Pfleger Thomas Dörflein zu mächtig. Doch noch bringt der Star im Eisbärenpelz knapp 13 Kilo auf die Waage – und bricht Herzen in der ganzen Welt. Auch der stellvertretende US-Justizminister Kenneth Wainstein hat jetzt drei Plüsch-Knuts für seine Kinder in den USA im Gepäck. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatte die Kuscheltiere am Rande eines Treffens von Sicherheitspolitikern in Berlin verteilt.

Das durchwachsene Wetter kommt Knut-Fans gelegen, denn es wird nicht ganz so voll. Etwas mehr als 20 000 Besucher zählte die Zooleitung gestern, Gründonnerstag und Karfreitag zusammen kamen rund 45 000. Damit jeder den Eisbären sehen kann, winken Ordner die Masse vor dem Gehege alle zehn Minuten weiter. 15 Security-Leute hat der Zoologische Garten derzeit im Einsatz, das Deutsche Rote Kreuz ist mit einem Sanitätszelt auf der Wiese nahe dem Bärengehege präsent – sicher ist sicher. Auch ein Toilettencontainer wurde extra aufgebaut. Trampelpfade ziehen sich jetzt durch den Zoologischen Garten, alle wollen so schnell es geht zu Knut. Gleich in der Nachbarschaft tollt der kleine Malaienbär Ernst umher. Aber weder er noch die anderen 13 000 Zootiere verzaubern die Leute so wie Knut. Eisbärbaby-Devotionalien wie bedruckte T-Shirts, die Knut-DVD „Volume 1“ oder das neue Knut-Steiff-Tier gehen weg wie nichts.

Einen Platz in der ersten Reihe haben die Presseleute – und Kinder sowie Rollstuhlfahrer, für sie sind Bereiche ganz vorn am Bärengehege gesperrt. Da kann man beobachten, wie Knut raubtiermäßig in Bruchteilen von Sekunden mit beiden Tatzen die Beine seiner Pfleger packt, wenn ihm etwas nicht passt. Und wie er Luftsprünge auf dem Weg zum Wasserbecken vollführt. Auch über Ostern bleiben die Zeiten für die Knut-Show bestehen: 11 bis 12 und 14 bis 15 Uhr. Nebenan, am Gehege der großen Eisbären, werden viele Besucher nachdenklich, wenn sie sehen, wie stereotyp dort ein Tier in der Enge eines Zoogeheges den Kopf unentwegt hin und her bewegt.

„Who the fuck is Knut“ – wer zum Teufel denn dieser Knut sei, so lautet die Aufschrift eines der vielen Knut-Shirts, die im Internet gehandelt werden. Wer Knut ist, weiß aber fast die ganze Welt, und deswegen sollen Wettmacher in Großbritannien sogar schon Wetten dazu annehmen, wie viele Jungs künftig nach dem Berliner Eisbären benannt werden. Noch steht der Vorname Knut auf der Beliebtheitsskala recht weit hinten, doch dass sich das bald ändern wird, vermuten auch Wissenschaftler von der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden.

Mehr zu Knut im Internet:

www.tagesspiegel.de/knut

Annette Kögel

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