zum Hauptinhalt

Berlin: In der Waffenkammer der Aufklärung

Der „Arsenal“-Verleger Peter Moses-Krausewird60 Jahre alt

Bevor man den Hausherrn begrüßt, fühlt man einen wuscheligen Kopf in der Hand. Der gehört zu Bauschan, einem schwarzen Hund. Bauschan heißt Bauschan, weil sein Herrchen von und für die Literatur lebt und Bauschan eine literarische Hundefigur von Thomas Mann ist. Das Tier kann nicht genug bekommen von Büchern, die bis unter die Decke gestapelt sind, von Manuskriptbergen und von Pfeifenrauch. Freiwillig verlässt er das Arbeitszimmer von Peter Moses-Krause nicht, man muss ihn schon am Fell hinausziehen.

Bauschan mit seinem literarischen Namen passt also wunderbar in die geräumige Charlottenburger Wohnung, die das Zuhause des Verlages „Das Arsenal“ ist und des Verlegers Peter Moses-Krause, der heute seinen 60. Geburtstag feiert. Es sind die Umwege und die Beobachtungen am Rande, die Flaneure wie Franz Hessel, Victor Auburtin oder Arthur Eloesser zum Nachdenken anregten, sie lasen in den Straßen Berlins wie in einem Buch. „Spazierengehen ist weder nützlich noch hygienisch, es ist ein Übermut. Es ist mehr als jedes andre Gehen und zugleich ein Sichgehenlassen“, schrieb Franz Hessel.

Solche Kleinode sammelt Moses-Krause seit 25 Jahren, kleine „unabhängige“ Formen wie das Essay oder das Feuilleton. Als „Waffenkammer der Aufklärung“ versteht Moses-Krause seinen Verlag und taufte ihn deshalb 1977 „Arsenal“. Aber das Politische interessiert ihn nicht dort, wo es plakativ daher- kommt, sondern in den subtilen Texten der Stadtpoeten und in den Büchern von Autoren, die in Deutschland nahezu unbekannt oder vergessen sind, der ungarische Erzähler Tibor Déry etwa, der Filmkritiker Béla Balázs oder der elsässische Autor Claude Vigée. Ihre Texte machte der Verleger wieder zugänglich, in wunderbar schlichten Büchern, in Fadenheftung und englischer Broschur, ergänzt durch ebenso ausgefallene wie zarte Skizzen. Er komme nur in „Trippelschrittchen“ voran, sechs bis neun Bücher pro Jahr, denn er und seine Frau machen alles alleine und haben noch nie fremdes Geld angenommen. Das komme von der „Urangst der 68er gegen Staatsknete“, sagt Moses-Krause.

Sich als Kleinverleger auf dem Markt zu behaupten, ist heute schwerer denn je: Vor 15 Jahren war das Arsenal-Programm noch in 1700 Buchhandlungen vertreten, heute findet man es nur noch in 200. „Jetzt muss ich viel mehr mit dem Leser direkt in Kontakt treten“, sagt Moses-Krause. Rezensionen sind dafür ganz wichtig, denn Anzeigen sind teuer. Bei jeder Neuauflage eines Buches gerate er ins Grübeln, ob er sich das leisten könne, schon jetzt zahle er rund 1000 Euro jeden Monat für Lagerkosten.

Seinen Geburtstag feiert der Verleger mit Freunden und Käse, Brot und Rotwein: schlicht und stilvoll. Und morgen wird er wieder an seinem Stehpult stehen und lesen und schreiben – ganz nach der Pariser Kaffeehausparole von 1789: „Hier nennt man sich stolz Bürger, und man raucht und man liest.“

Zur Startseite