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Interview mit Volker Ratzmann: "Deutsche werden mit Sprachtest benachteiligt“

Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen, hat eine Verfassungsklage eingereicht gegen den Deutschtest für Ausländer. Der Abgeordnete spricht mit dem Tagesspiegel über eine Benachteiligung von Deutschen, verpflichtenden Sprachkursen und Zwangsehen.

Herr Ratzmann, ausländische Ehepartner müssen Deutschkenntnisse nachweisen, bevor sie einreisen dürfen. Sie wollen die Einreise auch ohne Deutschtest ermöglichen.

Ich halte die Regelung für verfassungswidrig und habe vor zwei Wochen eine Verfassungsklage eingereicht. Sie verletzt sowohl das Grundrecht zum Schutz von Ehe und Familie als auch den Gleichbehandlungsgrundsatz. Und es werden Angehörige bestimmter Länder bevorzugt, die ohne Sprachtest einreisen dürfen. Deutsche werden benachteiligt.

Wie das?

Wenn ein Deutscher seinen Ehepartner herholen will, muss dieser im Ausland seine Deutschkenntnisse nachweisen. Anders als bei EU-Ausländern sind hier keine Ausnahmen möglich. Schafft der Partner den Test nicht, besteht keine Möglichkeit, als Ehepaar in Deutschland zusammenzuleben. Die Erlaubnis zum Zusammenleben hängt von der Sprachbegabung ab. Das geht nicht. Wer mit einem Koffer voll Geld einreist und investiert, braucht für seinen nachziehenden Ehegatten keinen Nachweis.

Es ist aber nicht wünschenswert, Unmengen junger Damen aus Anatolien hier zu haben, die kein Wort Deutsch können. Mal abgesehen davon, dass deren Kinder es dann auch nicht lernen werden.

Das ist ja richtig, aber diesen Zweck könnte man mit anderen Mitteln mindestens so gut erreichen, wenn nicht besser.

Nämlich wie?

Indem der Sprachkurs hier gemacht wird, bei verpflichtender Teilnahme natürlich. Das ist viel realitätsnäher. Dann geht der Deutschkurs mal in ein Theater, in einen Supermarkt oder eine Behörde. So sind die Teilnehmer verpflichtet, ihre Wohnung auch zu verlassen.

Viele der so genannten Importbräute leben hier in völliger Abhängigkeit vom Mann. Wie soll man sicherstellen, dass die auch wirklich zu den Kursen erscheinen, und welche Sanktionen müsste es geben, wenn sie es nicht tun?

Wenn es sich wirklich um Importbräute handelt, sollten wir sicherstellen, dass sie von ihren Ehemännern wegkommen und selbstständig leben können. Wer dann trotzdem nicht teilnimmt, müsste damit rechnen, nicht hierbleiben zu dürfen.

Auch jetzt müssen schon Integrationskurse besucht werden.

Ja, aber leider gibt es zu wenig Plätze. Ich fürchte, die Regelung führt dazu, dass sie weiter zusammengestrichen werden.

Wie könnte man Zwangsehen verhindern?

Man kann sie erschweren – indem die Frauen über ihr Recht auf eigenständigen Aufenthalt aufgeklärt werden, indem die Mitarbeiter der Behörden geschult werden, Zwangsehen zu erkennen.

Wie sieht denn der typische Fall aus, wo die Falschen getroffen werden?

Ich haben einen Mandanten, der ist Witwer und hat Kinder. In der Türkei hat er eine Frau kennengelernt, die er herholen will, seine Kinder lieben sie und wünschen sich wieder eine Mutter, er hat Arbeit – aber sie kann nicht einreisen, denn sie schafft den Sprachtest nicht.

Ist der denn so schwer?

Jedenfalls ist er nicht ohne. In manchen Gegenden ist es auch schlicht nicht möglich, Deutsch zu lernen. Eine Mandantin von mir lebt in einem kleinen Dorf in der Türkei, da gibt es nicht mal Internet.


Volker Ratzmann ist Vorsitzender der Fraktion von Bündnis 90/Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Der Jurist (48) arbeitet als Anwalt. Das Gespräch führte Fatina Keilani.

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