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Jesuiten: Gefürchtete Elitetruppe des Papstes

Die Geschichte der Jesuiten war immer von Verschwörungstheorien begleitet. Erziehung und Bildung sind Schwerpunkte ihrer Arbeit.

Sie sind die „schlauen Jungs“, und für die einen gelten sie als die reaktionäre, für die anderen als die progressive Elite der katholischen Kirche. Mal wird ihre Strenge gepriesen, mal gescholten. Aber eines haftet dem Orden der Jesuiten, der 1534 von einem Freundeskreis um Ignatius von Loyola in Paris gegründet wurde, bis heute an: Er gilt als undurchschaubar und einflussreich. Das geheimnisumwitterte Image des Ordens mag an der Persönlichkeit von Ignatius von Loyola selbst liegen. Der Sohn einer adligen baskischen Familie machte zunächst im Militär Karriere, bevor er Gotteserscheinungen hatte, allen Besitz abgab und das Armutsgelübde ablegte. Seine Zeitgenossen beschreiben ihn als äußerst verschlossenen Mann, der wenig Emotionen zeigte. Wer heute Jesuiten in Berlin begegnet, im Canisius-Kolleg oder im Flüchtlingsforum in Charlottenburg, trifft auf weltgewandte, offene Männer, die auch keine Ordenstracht tragen.

Der Kern der jesuitischen Frömmigkeit besteht in den Exerzitien, spirituellen Erfahrungen, in denen die Anhänger der „Gesellschaft Jesu“ über ihren Glauben und ihre persönliche Bindung an Jesus Christus meditieren. Zu ihrem Gelübde gehört Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam, absoluter Gehorsam auch gegenüber dem Papst.

Während der Gegenreformation, mit der die katholische Kirche auf die protestantische Reformation reagierte, waren die Jesuiten als quasi militärisch-strenge Kampftruppe des Papstes, als die „Soldaten Christi“ überall in Europa gefürchtet. Der erste deutsche Jesuit war Petrus Canisius. Er trat als achtes Mitglied 1543 in den Orden ein und trieb die Gegenreformation in Deutschland an.

Je weiter sich die Jesuiten ausbreiteten, umso monströser wurden auch die Verschwörungstheorien, in denen man ihnen unter anderem unterstellte, alle Königshöfe zu unterwandern. Im 18. Jahrhundert wurde der Orden in etlichen europäischen Ländern und schließlich auch vom Papst verboten, später wieder zugelassen. Im 20. Jahrhundert distanzierte sich der Orden zunehmend von restaurativen Tendenzen und öffneten sich der Moderne. Pater Alfred Delp wurde wegen seines Widerstands gegen den Nationalsozialismus in Plötzensee hingerichtet. Patres wie Karl Rahner beeinflussten maßgeblich die Reformen innerhalb der katholischen Kirche in den 60er Jahren. Heute sind die Jesuiten nach eigenen Angaben der weltweit größte katholische Orden mit 22 000 Mitgliedern. Es ist ein reiner Männerorden.

Da Ignatius von Loyola die „Seelsorge für die Jugend“ besonders am Herzen lag, wurde schon zu seinen Lebzeiten das erste „Kolleg“ gegründet. In den folgenden Jahrhunderten hatten die Jesuiten großen Einfluss auf die europäische Bildungslandschaft – zunächst als Anti-Aufklärer. Heute sind die weltweit 2400 Schulen des Ordens einem umfassenden humanistischen Bildungsideal verpflichtet. Die jesuitische Pädagogik basiert auf den vier Prinzipien: Wertschätzung des einzelnen, Fähigkeit zur Reflexion, Verpflichtung zur Gerechtigkeit, die Frage nach Gott wachhalten. So gehören der verpflichtende Religionsunterricht, Gottesdienste, die Einübung in Exerzitien und auch die Möglichkeit zu beichten, zum Schulalltag.

Eine Besonderheit der Jesuitenkollegs besteht auch darin, dass neben der Vermittlung des klassischen Unterrichtsstoffes die Einübung sozialer Kompetenzen eine wichtige Rolle spielt. In eigenen Jugendzentren auf dem Schulgelände lernen ältere Schüler mit jüngeren, angeleitet durch die Patres, über sich selbst und ihre Rolle anderen gegenüber nachzudenken, und trainieren Selbstbewusstsein. Dazu gehört, dass man die eigenen Grenzen erkennt, und sich wehrt, wenn diese von anderen überschritten werden. Dies lernen zu können, setzt voraus, dass natürlich auch der Lehrer die Grenzen des Jugendlichen achtet. Die Abhängigkeit des Schülers auszunutzen, gar zur Befriedung eigener Triebe, ist deshalb der schlimmste Verrat, den ein Pater an der jesuitischen Pädagogik begehen kann.

Schon im 18. Jahrhundert besuchten viele Söhne adliger Familien die Jesuitenschulen. Vertreter niedrigerer sozialer Klassen konnten mithilfe der Ausbildung sozial aufsteigen und sogar in Regierungsämter gelangen. Zu den heute wohl bekanntesten Absolventen gehört in Deutschland der CDU-Politiker Heiner Geißler.Claudia Keller

Claudia Keller

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