Berlin: Julia Lossau
Junior-Professorin für Kulturgeographie
Stand:
Bevor ich nach Berlin kam, habe ich zwei Jahre in Heidelberg gearbeitet. Heidelberg funktioniert gut mit seinem Image der romantischen, heilen Welt. Berlin dagegen ist zu groß und zu vielschichtig, um einem übergeordneten Image oder Leitbild zu folgen. Es gibt sehr viele unterschiedliche Gruppen, die jeweils andere Vorstellungen davon haben, wie die Stadt, in der sie leben, sein soll. Eine einzige Leitidee – „Kulturmetropole Berlin“ oder „Berlin, Stadt der Innovationen“ – wäre für viele Menschen ausgrenzend.
Das Geographische Institut der Humboldt-Universität liegt in Adlershof, der – Vorsicht: Leitidee! – „Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“. Adlershof ist für viele, die dort studieren und arbeiten, noch kein Ort mit Aufenthaltsqualität. Oft werden Orte in der Stadt auch anders genutzt als ursprünglich intendiert. Ein Beispiel dafür ist das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Viele Besucher verstoßen immer wieder gegen die Hausordnung, indem sie über Stelen springen, Fußball oder Versteck spielen. Es lässt sich nie ganz vorherbestimmen, wie bauliche Maßnahmen von der Bevölkerung angenommen werden. Die Art und Weise, in der sich Menschen in ihrer Stadt, ihrem Wohnquartier bewegen, wie sie mit ,ihrem’ Raum umgehen, lässt oft erkennen, wie stark sie sich damit identifizieren. Berlin ist konfliktreich und voller Reibung. Für mich ist das beruflich und privat ein inspirierendes Umfeld.
Julia Lossau ist Juniorprofessorin an der Humboldt-Universität. Sie studierte Geographie in Würzburg und Bonn, ging nach der Promotion nach Glasgow. Zuletzt arbeitete sie zwei Jahre in Heidelberg.
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