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Verstärkung willkommen: Die Berliner Polizei greift bei Veranstaltungen und Demonstrationen oft auf Hilfe zurück, hier am 1. Mai 2016.

© Kay Nietfeld/dpa

Update

Keine Polizisten wegen Antidiskriminierungsgesetz?: Bayern überprüft Amtshilfe – Berlin warnt vor politischer Verweigerung

Berlins neues Antidiskriminierungsgesetz ist bundesweit einmalig. Polizei-Verbände und Unions-Politiker fordern, keine Polizisten mehr nach Berlin zu schicken.

Das Berliner Antidiskriminierungsgesetz ist beschlossene Sache - doch nach dem Votum des Abgeordnetenhauses am Donnerstag schwillt die Kritik daran noch einmal deutlich an. Die Senatsjustizverwaltung wies am Freitag jedoch Forderungen von verschiedenen Seiten zurück, andere Bundesländer sollten keine Polizisten mehr zu Einsätzen im Rahmen der Amtshilfe nach Berlin schicken.

„Die Amtshilfe ist eindeutig gesetzlich geregelt“, teilte ein Sprecher der Justizverwaltung mit. „Eine Verweigerung aus politisch motivierten Gründen kommt nicht in Betracht.“

So lege das Verwaltungsverfahrensgesetz fest, aus welchen Gründen eine Behörde der anderen die Amtshilfe verweigern darf. Dazu zählt etwa, wenn das nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich oder eine andere Behörde dazu mit wesentlich geringerem Aufwand in der Lage wäre. Sie könne aber nicht verweigert werden, weil die Hilfe leistenden Beamtinnen und Beamten landesrechtliche Vorschriften wie das Antidiskriminierungsgesetz beachten müssten, erklärte der Sprecher.

Das Gesetz soll Menschen vor Diskriminierung seitens der Berliner Behörden schützen und auch Ansprüche auf Schadenersatz gegen das Land ermöglichen, wenn das nachweislich nicht gelungen ist. Berlin ist das erste Bundesland, das ein solches Gesetz bekommt. Auch das Handeln von Polizei und Ordnungsbehörden ist davon betroffen.

Ein zentraler Kritikpunkt lautet, durch das Gesetz werde die Beweislast umgekehrt, so dass beispielsweise Polizisten künftig nachweisen müssten, dass Diskriminierungsvorwürfe gegen sie falsch seien. Die Justizsenatsverwaltung hatte diese Kritik zurückgewiesen.

Bayerns Innenminister sieht gestörtes Verhältnis des Senats zur Polizei

Stimmen gegen das Gesetz kommen vor allem aus der Union - und das bundesweit. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisierte, das Gesetz animiere „mit weitreichenden Entschädigungsregelungen die falschen Leute geradezu, die Polizei mit fadenscheinigen Diskriminierungsvorwürfen zu überziehen, um Kasse zu machen“.

Hat wohl keine Handhabe, will das LADG aber trotzdem juristisch prüfen: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
Hat wohl keine Handhabe, will das LADG aber trotzdem juristisch prüfen: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

© Alexander Heinl/dpa

Herrmann kündigte am Freitag an, den Einsatz bayerischer Polizisten bei Großeinsätzen in Berlin juristisch überprüfen zu wollen. „Wir werden nicht zulassen, dass unsere Polizistinnen und Polizisten das offenbar gestörte Verhältnis der Berliner Landesregierung zu ihrer Polizei ausbaden müssen“, sagte Herrmann der Deutschen Presse-Agentur in München.

„Inwiefern die bayerische Polizei ihre Berliner Kollegen künftig unterstützen kann“, sei vom Ergebnis dieser juristischen Prüfung abhängig, teilte das Ministerium mit. Außerdem wolle Herrmann das LADG bei der kommenden Innenministerkonferenz thematisieren.

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Brandenburgs CDU-Innenminister Michael Stübgen wiederholte in der RBB-„Abendschau“ seine Zweifel, die er kürzlich schon dem Tagesspiegel geschildert hatte: Es müsse sichergestellt sein, „dass unsere Polizei, wenn sie in Berlin unterstützend tätig wird, nicht in Rechtsunsicherheiten kommt oder zusätzliche Belastung bekommt.“ Das werde man sehr genau prüfen und in den nächsten Monaten klären.

CDU-Innenpolitiker: „Wir haben kein Rassismus-Problem in der Polizei“

Die innenpolitischen Sprecher von CDU und CSU in Bund und Ländern forderten, die Innenminister aller anderen 15 Länder sollten vorerst keine Polizisten mehr zur Amtshilfe nach Berlin schicken. Das neue Gesetz stelle die Polizei und den ganzen öffentlichen Dienst „unter Generalverdacht, grundsätzlich und strukturell zu diskriminieren“, kritisierte der baden-württembergische CDU-Innenpolitiker Thomas Blenke. „Deutschland ist nicht USA. Wir haben hier kein Rassismus-Problem in der Polizei.“

Berlins CDU-Landesvorsitzender Kai Wegner erklärte: „Wir wollen dieses Anti-Polizei-Gesetz abschaffen, sobald wir die Möglichkeit dazu haben.“ Die Berliner FDP-Fraktion erwägt rechtliche Schritte gegen das Gesetz. „Wir als FDP-Fraktion behalten uns vor, die Verfassungsmäßigkeit im Rahmen einer Normenkontrollklage prüfen zu lassen und somit für die Polizei wieder Rechtssicherheit zu schaffen“, sagte der rechtspolitische Sprecher Holger Krestel.

Gewerkschaft in NRW: „Gesetz muss umgehend gekippt werden“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen forderte am Freitag den dortigen Innenminister Herbert Reul (CDU) auf, bis auf Weiteres keine Polizisten mehr zu Großeinsätzen nach Berlin zu schicken. Von Innenminister Reul erwarte die NRW-GdP, dass er das Gesetz auch in der nächsten Innenministerkonferenz zur Sprache bringe. „Das Gesetz muss umgehend gekippt werden“, hieß es in einer Mitteilung.

Die GdP NRW interpretiert das Gesetz so, dass Polizisten bei Einsätzen, von denen Menschen mit Migrationshintergrund betroffen sind, nachweisen müssten, dass Ihr Einschreiten in keinem Zusammenhang mit der Herkunft der Täter stehe.

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Vizechef Michael Maatz sagte dazu: „Für die Polizisten sind alle Menschen gleich. Das gehört zur DNA der Polizei. Aber wenn wir verhindern wollen, dass kriminelle Familienclans ganze Stadtteile terrorisieren und Drogenhändler ungestört ihren Geschäfte nachgehen können, muss die Polizei verdächtige Personen unabhängig von ihrer Herkunft überprüfen können.“ Das sei durch das neue Gesetz „so nicht mehr möglich.“

„Polizisten, die gegen Tatverdächtige vorgehen, laufen unmittelbar Gefahr, dass ihr Vorgehen als rechtswidrig eingestuft wird, obwohl sie sich absolut korrekt verhalten haben. Dieser Vorwurf kann auch Beamte aus NRW betreffen, wenn sie dort eingesetzt werden. Deshalb können wir dort keine Polizisten mehr hinschicken“, sagte Maatz.

Das Antidiskriminierungsgesetz – ein grünes Projekt

Beamtenbund: „Nachteilige Folgen zumindest abmildern“

Auch die GdP Berlin findet deutliche Worte: Man habe bis zuletzt darauf gehofft, dass die Abgeordneten „von diesem klaren Misstrauensbekenntnis gegenüber allen Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes absehen“, erklärte Landeschef Norbert Cioma.

Die Exekutive werde generell geschwächt und der Vollzugsdienst im Besonderen, sagte der Landeschef des Beamtenbundes (dbb), Frank Becker. „Die Beschäftigten werden einem Generalverdacht ausgesetzt und darüber hinaus sehen wir auch Einsatzunterstützung durch andere Bundesländer und den Bund gefährdet.“ Der dbb pochte auf eine Rahmendienstvereinbarung zwischen Hauptpersonalrat und Senat, die „nachteilige Folgen des Gesetzentwurfs für die Beschäftigten zumindest abmildern“ soll.

Berlins Justizsenator Behrendt: „Es geht um Extremfälle“

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) verteidigte das Gesetz vor allem in Bezug auf die Polizei erneut. Es richte sich nicht an den einzelnen Polizisten, in Anspruch genommen werde das Land Berlin, sagte Behrendt am Donnerstag in der RBB-„Abendschau“.

Für Polizeibeamte und die anderen Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes, die nach Recht und Gesetz ihre Arbeit täten, ändere sich „überhaupt nichts“, so der Grünen-Politiker. „Es geht um Extremfälle, wo es zu Diskriminierungen kommt, und die sollten wir alle bekämpfen.“ (Tsp, dpa)

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