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Berlin: Keine Staus in den Wartezimmern

Offenbar nur wenige Engpässe in der medizinischen Versorgung

An normalen Arbeitstagen betreut Hatice Tecir die Kunden eines Reha-Zentrums in der Schöneberger Kaiser-Wilhelm-Passage. Doch an diesem Mittwoch ist sie auch Ansprechpartnerin für unzählige Patienten, die verwundert fragen, warum die Arztpraxen ein Stockwerk tiefer geschlossen bleiben. Die Rezeptionistin nimmt es gelassen; freundlich informiert sie über den Ärztestreik. Viele übersehen das Schild im Erdgeschoss: „Aus organisatorischen Gründen“, heißt es dort, bleibe die Praxis geschlossen. Der Aufzug hält gar nicht erst im zweiten Stock. Ein Vater mit seinem vierjährigen Sohn drückt immer wieder irritiert auf den Knopf. Der Sohn hat Husten, der Vater ist extra aus Wedding gekommen. „Verärgert bin ich schon, dass ich den Weg umsonst gemacht habe“, sagt er. Hannelore Dingdissen ist zum Fädenziehen gekommen: „Ich finde das in Ordnung“, sagt sie, „die beschweren sich ja zu Recht.“ Die Fäden lässt sie sich eben einen Tag später ziehen, „und für Notfälle haben wir ja das Krankenhaus um die Ecke“.

Engpässe in der Versorgung gibt es nicht: In jeder zweiten Praxis brennt das Licht. Die Wartezimmer sind nicht voller als sonst. Christel Wittenbrink, Allgemeinmedizinerin in Schöneberg, hat nur am Morgen kurz bei der Streikversammlung vorbeigeschaut. „Besonders elegant finde ich es nicht, sich ausgerechnet vor einem Luxushotel zu treffen“, sagt die Ärztin, „doch die Kritik unterstütze ich vollkommen“. Sie möchte jedoch niemanden vor verschlossenen Türen stehen lassen.

Auch Bernhard Bengs, Zahnarzt in der Kurfürstenstraße, möchte „ standespolitische Dinge“ nicht auf dem Rücken seiner Patienten austragen. „Ich engagiere mich lieber anders, zum Beispiel in den Gremien. Aber die Kritik ist berechtigt.“adk

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