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Berlin: Kirche zu verkaufen

Das Erzbistum Berlin bietet jetzt sechs Gotteshäuser an – und legt eine Zwischenbilanz beim Sparen vor

Von Claudia Keller

und Martin Gehlen

Es war ein Schock für die Berliner Katholiken: Vor einem Jahr wurde bekannt, dass das Erzbistum 148 Millionen Euro Schulden hat und sich von Mitarbeitern, Firmen und Immobilien trennen muss. Jetzt stehen die ersten sechs Kirchen zum Verkauf. Das Bistum sucht Interessenten für die Kirchen St. Clemens am Anhalter Bahnhof, St. Johannes Capistran in der Tempelhofer Götzstraße und St. Maria Himmelfahrt in Charlottenburg. Auch die Betonkirche Regina Mundi in Reinickendorf soll verkauft werden, die Kirche Mutter vom Guten Rat in Lichterfelde und das Kloster St. Afra in Wedding. Fast überall sind ausländische christliche Gemeinden untergebracht: In St. Clemens feiern die Kroaten die Messe, in St. Afra die Spanier, in St. Johannes Capistran die Polen, die mit 30 000 Mitgliedern die größte ausländische Christengemeinde in Berlin darstellt. St. Agnes in Kreuzberg und die Schutzengel-Kirche in Britz sind baufällig, für die Sanierung fehlt das Geld. Wie hier verfahren wird, ist noch unklar.

Nachdem vor einem Jahr das Ausmaß der Berliner Kirchenkrise deutlich wurde, hat die Bischofskonferenz im November einen Leitfaden für Kirchenverkäufe veröffentlicht: Danach sollen zuerst Käufer unter anderen christlichen Gemeinden gesucht, dann erst auf weltliche Interessenten zurückgegriffen werden. Weltliche Investoren sind bislang auch gar nicht in Sicht, in einigen Fällen verhandelt das Bistum mit orthodoxen Gemeinden, die recht wohlhabend sind. Geld muss ein Käufer mitbringen, nicht weil der Verkaufspreis so hoch wäre, sondern weil die Sanierung teuer kommt. Für St. Clemens zum Beispiel wird sie auf zehn Millionen Euro geschätzt. Auf lukrative Geschäfte hofft die Liegenschaftsabteilung bei den Verkäufen deshalb nicht. Das wichtigste Ziel: Nicht mehr den Unterhalt für die Kirchen vom Bistumshaushalt zahlen zu müssen. Eine Million Euro sollen durch die Verkäufe von Kirchen, Grundstücken und Pfarrhäusern dieses Jahr gespart werden.

Vergangenes Jahr hat vor allem der Verkauf des Petruswerks zum Abbau der Schulden beigetragen. Verbindlichkeiten in Höhe von 148 Millionen Euro waren es Anfang 2003, am Jahresende waren es noch 84 Millionen Euro. Für das Petruswerk hat die Katholische Kirche 14,7 Millionen Euro bekommen, durch eine erste Hilfszahlung aller deutschen Bistümer 11,7 Millionen Euro. Außerem wurden Kredite getilgt, Bildungshäuser verkauft und Spenden durch eine Aktion im Dezember eingenommen. Allerdings musste das Erzbistum im Gegenzug 10,5 Millionen Euro neue Schulden aufnehmen, um Lücken im Haushalt 2003 zu schließen. 150 Vollzeitstellen wurden bisher gestrichen, weitere 250 müssen in den kommenden zwei Jahren abgebaut werden. Seit September wurden 50 Gemeinden fusioniert.

Unter dem Strich sei das Sanierungsergebnis für das Jahr 2003 um gut fünf Millionen besser ausgefallen, als von der Unternehmensberatungsfirma McKinsey veranschlagt, sagte der Finanzdezernent des Erzbistums am Freitag: „Die Sanierung läuft außerordentlich erfolgreich, insbesondere die Kirchengemeinden ziehen gut mit.“.

Schwierigkeiten breitet allerdings, angesichts zurückgehender Kirchensteuereinnahmen, einen Haushalt für das Jahr 2004 ohne Deckungslücken aufzustellen. Der Treuhandausschuss, der im Auftrag der deutschen Diözesen die Sanierung der Berliner Finanzen überwachen soll, hat die Zahlung der zweiten Hilfssumme von 18 Millionen Euro davon abhängig gemacht. Nach Angaben des Erzbistums soll der Plan bis Ende April endgültig vorliegen. Um die Sparziele zu erreichen, müssen jedoch weitere Einschnitte vorgenommen werden: bei den Schulen, der Caritas oder auch der Katholischen Akademie. Offenbar wird aber auch daran gedacht, einen Teil der fehlenden Mittel aus dem Pensionsfonds, also den Rückstellungen zur Alterssicherung der Beschäftigten, zu entnehmen. Der Pensionsfonds der Erzbistums hat allerdings jetzt schon eine Unterdeckung von 22 Millionen Euro.

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