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Berlin: Kompromisslos und konsequent bis zum Tod

Dompropst Bernhard Lichtenberg predigte öffentlich gegen die Judenverfolgung – heute ehrt ihn Yad Vashem als „Gerechten“

Wer Bernhard Lichtenbergs Predigten in der St. Hedwigs-Kathedrale gehört hatte, konnte nach dem Krieg nicht behaupten, er hätte von der Judenverfolgung nichts gewusst. „In Berliner Häusern wird ein anonymes Hetzblatt gegen die Juden verbreitet. Lasst euch durch diese unchristliche Gesinnung nicht beirren, sondern handelt nach dem strengen Gebot Jesu Christi: Du sollt deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, rief er den Berlinern von der Kanzel herab zu.

Die Nazis, für die angeprangerte Hetze verantwortlich, warfen dem Dompropst „Kanzleimissbrauch“ und „Heimtücke“ vor und steckten ihn 1942 ins Zuchthaus Tegel. Am heutigen Mittwoch wird der unnachgiebige Kirchenmann im Rahmen einer Feierstunde in der St. Hedwigs-Kathedrale von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem als einer der „Gerechten der Völker“ geehrt. Auch der israelische Botschafter Shimon Stein wird an der Zeremonie teilnehmen.

Im Falle von Bernhard Lichtenberg bricht Yad Vashem zum ersten Mal mit seiner Tradition, wonach nur persönliche Nachkommen der Geehrten die Auszeichnung entgegennehmen können. Für Lichtenberg wird das Erzbistum Berlin die Ehrung entgegennehmen, und für das Bistum Kardinal Georg Sterzinsky. Dieser würdigte Bernhard Lichtenberg als ein Vorbild, dem eigenen Gewissen zu folgen und unbeirrt für die Würde jedes Menschen einzutreten. „Es ist gut, der Mutigen zu gedenken, die Gott mehr gehorchten als den Menschen.“

Bereits 1935 hatte Lichtenberg in Hermann Görings Kanzlei eine Beschwerdeschrift gegen den Terror in den Konzentrationslagern eingereicht. Als am 9. November 1938 die Synagoge in der Oranienburger Straße in Flammen stand, sah der Dompropst der Hedwigs-Kathedrale, knapp 1200 Meter Luftlinie entfernt, den Feuerschein. „Da draußen brennt der Tempel, das ist auch ein Gotteshaus“, sagte er. Seit dieser Nacht betete er jeden Abend in der Kathedrale öffentlich für die Juden. Mit einem „Hilfswerk beim Bischöflichen Ordinariat“ half er Juden bei der Ausreise, suchte für die Untergetauchten Verstecke und versorgte sie mit Essen. Von seiner widerständigen Haltung ließ er sich auch durch Haft und Folter nicht abbringen. „Ich will in keinem Gedanken, in keinem Worte und in keinem Werke sündigen und alles aus Liebe erleiden“, schrieb er in seinem letzten Brief aus dem Gefängnis im September 1943. Zwei Monate später starb er 67-jährig auf dem Weg ins Konzentrationslager Dachau.

Mi., 18.5., 19 Uhr, Feierstunde in der St. Hedwigs-Kathedrale, Hinter der Katholischen Kirche, Mitte

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