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Berlin: Kuh und Kapitalismus

Das Murnau-Werdenfelser Rind ist die gefährdete Nutztierrasse 2007

Alma ist ein Opfer der Arbeitsteilung. Dass die mit ihren zehn Jahren schon gut betagte Kuh aus der Rasse der Murnau-Werdenfelser Rinder auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere landen musste, ist ein Resultat der Spezialisierung. Die findet nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch in der Nutztierhaltung statt, wie Antje Feldmann von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen weiß. Seit 1984 wählt der gemeinnützige Verein jährlich ein vom Aussterben bedrohtes Tier, um dessen Gefährdung publik zu machen. Noch nicht einmal mehr 20 Züchter halten heute die als robust und langlebig geltenden Kühe, deren Bestand im Laufe des letzten Jahrhunderts rapide abgenommen hat. 1896 wurden noch rund 62 000 Exemplare gezählt, heute sind es keine 300.

„Der Trend geht zur Einnutzungsrasse“, sagt Feldmann. „Das Murnau-Werdenfelser Rind stirbt aus, weil es zu vielseitig ist.“ Ein Allrounder: zugleich Arbeitstier, Milch- und Fleischlieferant. Doch um einen Pflug zu ziehen, braucht in Zeiten von Treckern niemand mehr eine Kuh wie Alma. Auch was die Milchproduktion angeht, kann die aus Bayern stammende Rasse nicht mit modernen Züchtungen mithalten. Besonders schade, weil sich in ihrer Milch ein einmaliges Eiweiß finden lässt, das die Grundlage für eine Käsespezialität sein könnte. Eine Chance für das Rind liegt deshalb in der Fleischproduktion. „Wir arbeiten gerade daran, das Fleisch der Murnau-Werdenfelser Rinder als Spezialität bekannt zu machen“, erzählt Feldmann. Bitte? Den eh schon geringen Bestand auch noch schlachten? Ja doch, sagt Feldmann. „Erhalten durch aufessen“, sei inzwischen der inoffizielle Slogan des Vereins. Denn nur, wenn sich die Züchtung für Landwirte wieder lohne, würde das den Bestand auf längere Sicht retten. Die Züchter für das Rind zu begeistern, dürfte jedoch schwer sein. Vielen gilt die Rasse aufgrund der moderaten Milchleistung als äußerst unmodern.

Alma macht in ihrem Gehege in Halle 25 nicht den Eindruck, als würde sie sich besonders dafür interessieren, ob sie modern ist. Wie sie da steht, kaut, guckt und nochmal kaut, wirkt sie wie das Urbild der Gelassenheit. Das könnte genetisch bedingt sein. „Nur die pflegeleichten Tiere wurden in Almas Rasse weitergezüchtet“, sagt Feldmann. „Die Rowdys wurden aussortiert.“

Videoimpressionen und Interviews von der Grünen Woche unter www.tagesspiegel.de/gruenewoche

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